Regierung will Maghreb-Staaten und Georgien als sicher einstufen

Im nächsten Anlauf

Die Bundesregierung will Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten einstufen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss das Bundeskabinett nun in Berlin. Kritik kommt von Menschenrechtlern.

"Maghreb-Viertel" in Düsseldorf / © Monika Skolimowska (dpa)
"Maghreb-Viertel" in Düsseldorf / © Monika Skolimowska ( dpa )

"Der Gesetzentwurf ist ein weiterer wichtiger Beitrag für den Ausgleich von Humanität, durch die Gewährung von Asyl an schutzbedürftigen Personen und Ordnung durch einen entschlossenen Umgang in Bezug auf Personen, die keinen Schutzbedarf haben", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Für Asylbewerber relevant

Die Frage der sicheren Herkunftsstaaten ist vor allem für Asylbewerber relevant. Eine solche Einstufung führt in der Regel zur raschen Ablehnung eines Asylantrags und einer Rückführung oder Abschiebung in die Heimat. Weiterhin werde jeder Antrag individuell geprüft, bekräftigte Seehofer, es werde jedoch vermutet, dass kein Schutzgrund vorliege.

Begründet wird die Einstufung, auf die sich Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag geeinigt hatten, unter anderem mit der geringen Anerkennungsquote von unter fünf Prozent für Asylbewerber aus den besagten Ländern. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 8.700 Asylanträge aus den vier Ländern.

Ausgenommen werden sollen laut Gesetzentwurf Auszubildende und Arbeitnehmer, die zum Stichtag des Kabinettsbeschlusses einen Arbeitsvertrag vorliegen hatten. Ihnen soll ein weiterer Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden. Mit Blick auf eine Aufnahme weitere Staaten in die Liste der sicheren Länder erklärte Seehofer, dass hierzu zunächst das Auswärtige Amt eine gründliche Bewertung der Lage im Land vornehme.

Bundesrat hatte abgelehnt

Der Bundesrat, der einem solchen Gesetzentwurf final zustimmen müsste, hatte im vergangenen Jahr die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer abgelehnt. "Nein"-Stimmen kamen vor allem von Ländern mit Regierungsbeteiligungen von Grünen und Linken.

Beide Parteien halten das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten für fragwürdig, da individuelle Asylgründe dabei ins Hintertreffen gerieten. Auch Flüchtlingsorganisationen und die Kirchen stehen dem Konzept der sicheren Herkunftsstaaten skeptisch gegenüber.

Vatikanischer Botschafter in Georgien: Keine grundsätzlichen Bedenken

Der vatikanische Botschafter in Georgien äußerte keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber in den kaukasischen Staat. Georgien sei ein Rechtsstaat, auch wenn es im Justizbereich "komplexere Einzelfragen" gebe, sagte der Nuntius Erzbischof Jose Avelino Bettencourt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Allerdings müsse man bestimmte Fälle "in ihrer individuellen Besonderheit betrachten", so der aus Portugal stammende Diplomat.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte das Verfahren des Gesetzentwurfes und sprach von "politischer Hektik und abstruser Fristensetzung". Pro Asyl und weitere Organisation hätten lediglich 1,5 Werktage Zeit gehabt, ihre Stellungnahme zum Entwurf zu erarbeiten. Eine fundierte juristische und praktische Auseinandersetzung mit einem Gesetzentwurf ist aber in solch einem kurzen Zeitraum laut Pro Asyl eine Zumutung. Zudem gebe es keinen Grund für die Eile.

Amnesty warnt vor Einstufung

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte vorab vor einer Einstufung von Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten. Die Amnesty-Expertin für Asylpolitik und Asylrecht, Franziska Vilmar, sagte dem Evangelischen Pressedienst am Dienstag: "Mit der Vermutung, ein Herkunftsstaat gelte als 'sicher', sollen Asylverfahren verkürzt werden."

Tatsächlich berge das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten die große Gefahr, dass Anträge pauschal als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt würden.

"Es besteht auch das Risiko, dass der individuelle Schutzbedarf eines Menschen nicht erkannt wird und er in eine Situation abgeschoben wird, in der Gefahr für Leib und Leben droht." Deshalb lehne Amnesty dieses Konzept grundsätzlich ab. Gerade in den Maghreb-Staaten habe die Organisation etliche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die asylrelevant seien, wie zum Beispiel Folter, die Unterdrückung der politischen Opposition und die Verfolgung homosexueller Menschen.


Quelle:
KNA , epd