AfD bei 17 Prozent Zustimmung

"Wir müssen Position beziehen"

Laut emnid-Umfrage erreicht die AfD derzeit eine Zustimmung von 17 Prozent in der Bevölkerung. Das ist ein Rekordwert, erstmals ist die Partei so stark wie die SPD. Wie bewertet die Kirche die Umfrageergebnisse?

AfD-Plakat / © Oliver Dietze (dpa)
AfD-Plakat / © Oliver Dietze ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Schwesterparteien CDU und CSU haben ihren Streit beigelegt, der Rauch verzieht sich langsam und doch stehen beide in der Wählergunst schlechter da als vorher. Was sagt uns das?

Dr. Werner Kleine (Citypastoral Wuppertal): Das sagt uns, dass der Handel mit der Angst der Menschen kein guter ist. Wir haben so viele Themen in unserem Land, die wirklich wichtig sind, etwa wenn es um Pflege, Gesundheitspolitik oder auch die Renten geht. Ich frage mich, warum wir jetzt nach drei Jahren immer noch über Flüchtlinge reden, obwohl doch viel weniger nach Deutschland kommen. Es wird ein Angst-Szenario aufgebaut, und man versucht, damit Stimmung zu machen. Das ist das Konzept der AfD, damit hat sie es in den Bundestag geschafft haben und offenkundig versucht man diese "Erfolgsgeschichte" jetzt bei der CSU mit Blick auf die Landtagswahlen zu kopieren. Aber eine Kopie ist immer schlechter als das Original.

DOMRADIO.DE: Das geht so weit, dass AfD-Politiker selber sagen: "Wir sind aber das Original"?

Kleine: Da ist etwas dran, das sehe ich auch so. Letztlich sieht sich die AfD bestätigt und kann sagen: "Seht her, wir haben es doch immer schon gesagt." Das ist in meinen Augen ein ganz klassischer Kategorienfehler den die CSU-Politiker da begangen haben.

DOMRADIO.DE: Das heißt, die AfD konnte sich zurücklehnen und gewinnt dann trotzdem in den Umfragen. Man kann sie also nicht ignorieren. Wie müssen wir jetzt damit umgehen?

Kleine: Was ich bei der CSU überhaupt nicht verstanden habe: Die CSU hat eine erfolgreiche Integrationspolitik in Bayern vollzogen. Der vielgescholtene Satz von Bundeskanzlerin Merkel "Wir schaffen das" ist in Bayern letzten Endes ziemlich gut umgesetzt worden. Man hätte wirklich auf diese Erfolgsgeschichte verweisen und sich als starkes Land präsentieren können.

Aber so hat man sich selbst schwach und klein gemacht. Da helfen auch die ganzen Stammtischparolen nichts. Die Zeiten, in denen diese Parolen gezogen haben sind doch längst vorbei. Anstatt auf die eigenen Erfolge zu verweisen und zu sagen: "Seht her, wir haben die richtigen Konzepte und wir haben bewiesen, dass sie tatsächlich umgesetzt werden", reitet man wieder das alte Pferd der Angst.

DOMRADIO.DE: Sie haben in ihrem Blog über das "C" in der CSU geschrieben, nachdem sie angewiesen hatte, Kreuze in bayerischen Amtsstuben aufzuhängen. Warum ist denn das ihrer Meinung eher nach hinten losgegangen?

Kleine: Die Menschen spüren sehr deutlich, ob Worte mit Inhalt gefüllt sind oder ob das hohle Phrasen sind. Ein Kreuz an die Wand zu nageln, ist das eine. Da kann man als Christ im Prinzip nichts gegen haben. Noch vor einiger Zeit haben wir uns alle echauffiert, als man nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs die Kreuze abhängen musste. Aber hier geht es um viel mehr: Es ist doch unverkennbar, dass da letzten Endes nur etwas aufgehängt, aber die damit verbundene Botschaft nicht vollzogen wird.

Ich habe immer gesagt: Wenn Herr Söder die Kreuze nicht nur aufhängen, sondern auch das Kreuz der Nachfolge Christi auf sich nehmen würde, dann stehe ich sofort an seiner Seite. Das Thema Nächstenliebe ist aber nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern es muss in die Tat umgesetzt werden. Und das ist das Problem: Das merken die Leute. Und diese Substanzlosigkeit wird auch nicht belohnt.

DOMRADIO.DE: Das ist auch ein Grund für die gesunkenen Umfragewerte der Volksparteien. Hat so etwas eigentlich auch Auswirkungen auf ihre Arbeit in der Citypastoral?

Kleine: Ja ich merke das schon. Wir stehen ja seitens der katholischen Kirche Wuppertal immer wieder draußen auf der Straße, wenn wir mit unserem Stand in den Innenstädten sind. Ich selber halte auch öffentliche Reden und dann nehme ich zu diesen Themen Stellung. Dabei stelle ich fest, dass der Ton auf der Straße sehr viel rauer geworden ist, das Thema Solidarität geht völlig flöten! Kürzlich ist mir passiert, dass nach einer solchen Rede tatsächlich zwei AfD-Mitglieder zu mir kamen und diskutieren wollten. Das finde ich an sich nicht schlecht. Deren Haltung war: "Wir wollen Deutschland schützen!" Das ist ein durchaus ehrenwertes Ziel, der Weg ist nur der völlig falsche. Das konnte man auch daran sehen, dass zum Beispiel das Zitat von Björn Höcke der über das "Mahnmal der Schande" plötzlich verdreht wurde. Angeblich soll er gesagt haben, dass es dort keine öffentlichen Toiletten gebe, sei eine Schande. Das ist natürlich vollkommen lächerlich, aber man sieht, wie diese Partei in letztlich arbeitet.

Aber ich merke aber auch, wenn man mit den Menschen spricht und nicht ausweicht, sondern klar und deutlich Stellung bezieht, dann kann man da durchaus etwas bewegen. Zumindest kann man die Leute, die stillschweigend dastehen, motivieren, sich auch zu positionieren. Das ist die große Herausforderung und das ist der Fehler, den die CSU gemacht hat: Dass sie die Parolen der AfD übernommen hat, statt eine eigene Position zu beziehen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Quelle:
DR