Abschottungspolitik der EU sorgt für Unmut in der Kirche

"Geschlossene Türen sind keine Antwort"

Der EU-Sondergipfel vom Sonntag zeigt: Es gibt Bestrebungen in vielen europäischen Ländern, die Festung Europa weiter auszubauen. Häfen bleiben für Rettungsschiffe verschlossen. Der Vatikan und Bischöfe in Italien äußern sich besorgt.

Mailand: Ein Mann geht an der Mauer eines Flüchtlingslagers außerhalb von Mailand entlang. / ©  Luca Bruno (dpa)
Mailand: Ein Mann geht an der Mauer eines Flüchtlingslagers außerhalb von Mailand entlang. / © Luca Bruno ( dpa )

Der Vatikan hat sich gegen eine Abschottungspolitik in der Migrationsfrage gewandt. Geschlossene Türen seien keine Antwort, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Rande einer Veranstaltung dem italienischen Pressedienst SIR in Rom. Eine Lösung sei allerdings nur in Zusammenarbeit zwischen allen europäischen Ländern zu erreichen. Dies sei zugleich ein Signal, ob es Europa überhaupt noch gebe, so der Kardinal.

Eine Antwort auf die Probleme müsse innerhalb eines "Horizonts der Humanität und Solidarität" liegen, sagte Parolin. Das Thema Migration werde auch beim Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Rolle spielen, sagte der Kardinal. Macron trifft an diesem Dienstag mit Papst Franziskus im Vatikan zusammen. Parolin äußerte sich am Rand einer Tagung über Religionsfreiheit, die von der US-Botschaft beim Heiligen Stuhl veranstaltet wurde.

Bischöfe in Italien gegen Abschottung

Im Streit über den Umgang mit Migranten mehrt sich die Kritik der katholischen Kirche in Italien. Die Suche nach einer gesamteuropäischen Lösung rechtfertige nicht die derzeitige Abschottungspolitik der italienischen Regierung, sagte der Erzbischof von Florenz, Kardinal Giuseppe Betori, laut dem bischöflichen Pressedienst SIR. Zwar gebe es Grenzen der Aufnahme; Italien könne aber nicht von sich sagen, in einem "Zustand der Armut" zu sein.

Gegenüber Aufnahmeländern wie dem Libanon müsse sich Italien "für auch nur einen einzigen abgewiesenen Flüchtling schämen", sagte der Kardinal. Soziale Not unter italienischen Bürgern müsse Anlass sein, eine gerechtere Güterverteilung und das Armutsproblem insgesamt in Angriff zu nehmen. Weiter forderte Betori die Öffnung von humanitären Korridoren und konkrete entwicklungspolitische Maßnahmen in den Herkunftsländern der Migranten.

Unterdessen rief das Erzbistum Mailand Bürger und Politiker zur Verantwortung. Angesichts der Vorgänge im Mittelmeer könne niemand ruhig schlafen, hieß es in einem am Sonntag unterzeichneten Dokument von Erzbischof Mario Delpini und dem Pastoralrat. "Können Christen ruhig bleiben und die Dramen ignorieren, die sich unter ihren Augen abspielen?", heißt es in der Erklärung.

An die italienischen Politiker gewandt, verwahrte sich die Kirche gegen Entscheidungen auf der Basis von Slogans. Bürger hätten ein Recht auf "verständliche, ruhige, begründete Information".


Quelle:
KNA