EU-Sondertreffen: Der Druck auf die Kanzlerin nimmt zu

Debatte über Asylpolitk hält an

Manche sprechen vom "Showdown", andere bemühen sich, die Wogen im Asylstreit der Union zu glätten. Doch eins ist klar: Der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel wächst. Das EU-Sondertreffen am Sonntag soll Weichen stellen.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag / © Michael Kappeler (dpa)
Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag / © Michael Kappeler ( dpa )

Vor dem EU-Sondertreffen am Sonntag in Brüssel geht die Debatte über die Asyl- und Flüchtlingspolitik unvermindert weiter; der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt zu. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani warnt sogar vor einem Zerfall der Staatengemeinschaft: Die Zuwanderungsfrage dürfe "nicht zur Zerstörung der Europäischen Union führen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Nicht nationale Lösungen, sondern eine europäische Strategie sei gefragt. Entscheidend sei der wirksame Schutz der Außengrenzen.

Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte in der "Bild"-Zeitung vor einer Auflösung der EU und rief zur gemeinsamen Sicherung der Außengrenzen auf. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass die EU nicht komplett auseinanderfällt und endlich aufhören, weiter über ein Verteilungssystem zu sprechen, das einfach nicht funktionieren wird."

Die Sicht aus Wien

In Wien sagte Kurz zudem, es sei "eine Frage des Preises", Auffangzentren für Flüchtlinge einzurichten: "Wenn wir glauben, dass Länder das aus purer Nächstenliebe tun werden, dann irren wir. Aber natürlich gibt es Staaten in Afrika und auch auf unserem Kontinent, die dazu bereit wären." Österreich fordert zudem, zum Schutz der Außengrenzen künftig auch EU-Soldaten einzusetzen.

Das Sondertreffen am Sonntag in Brüssel soll vor dem regulären Gipfel am Donnerstag und Freitag die Chancen ausloten, zu gemeinsamen Lösungen in der Flüchtlingspolitik zu kommen. Mindestens 16 Staaten nehmen teil. Kurz sagte, er habe wenig Hoffnung auf ein gutes Ergebnis. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor zu hohen Erwartungen an das erste Treffen.

Flüchtlingspolitik eine Sache der EU?

CSU-Vize Manfred Weber, EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, forderte eine europäische Wende in der Asylpolitik und warnte vor einem Scheitern. "Wenn Europa keine Antwort auf die Flüchtlingsfrage gelingt, dann ist das eine größere Gefahr für die Zukunft Europas, als es die Euro-Krise war", sagte Weber der "Passauer Neuen Presse". Nationale Egoismen müssten beendet werden, forderte er und rief dazu auf, Merkel zu unterstützen.

Aus den Bundesländern kamen mehrere Stimmen, die auf eine rasche Einigung im Asylstreit in der Union drängen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete diesen im «Kölner Stadt-Anzeiger» als irrational, zumal die Flüchtlingszahlen in Deutschland rückläufig seien. Kontrollen an den NRW-Grenzen schloss er kategorisch aus.

Stimmen aus den Bundesländern

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte den Streit "für die CDU extrem gefährlich". Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnte die CSU davor, die Union nach rechts verschieben zu wollen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte, CDU und CSU müssten ihr Verhältnis rasch klären, um eine Regierungskrise mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität des Landes zu vermeiden.

Unterdessen verlangte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine "echte Wende in der gesamten Zuwanderungspolitik des europäischen Kontinents". In der "Welt" erklärte er, der Begriff "Festung Europa" sei nicht mehr "nur negativ besetzt". Europa müsse "endlich wieder in der Lage sein, sich besser vor den Veränderungen und Wirren der Welt zu schützen".

"Länderclub der Egoisten"

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CSU) äußerte im "Spiegel" Verständnis für CSU-Forderungen nach mehr "Recht und Ordnung" und betonte zugleich, man dürfe nicht "die gemeinsame europäische Idee ersetzen durch einen Länderclub der Egoisten". Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnte CDU und CSU im "Tagesspiegel" vor einem Bruch der Fraktion. In einer aktuellen "Spiegel"-Umfrage wünscht sich die Mehrheit eine striktere Asylpolitik, die eher CSU-Positionen entspricht, will aber zugleich, dass Angela Merkel (CDU) Kanzlerin bleibt.

Der Europa- und Verfassungsrechtler Daniel Thym sagte unterdessen im Deutschlandfunk, er halte die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplanten Zurückweisungen von Flüchtlingen für europarechtswidrig. Auch wenn die europäischen Regelungen zu Asyl und Migration reformbedürftig seien, dürfte es keine nationalen Alleingänge geben.


Quelle:
KNA