Fachtagung zum Buddhismus in Deutschland

Die friedliebendste Religion?

Mehr als eine Viertelmillion Gläubige in Deutschland bekennen sich zum Buddhismus. Doch gehört der Buddhismus zu Deutschland? Diese Frage diskutieren noch bis Freitag rund 200 Experten auf einer internationalen Konferenz in Hamburg.

Hände eines buddhistischen Mönchs / © Harald Oppitz (KNA)
Hände eines buddhistischen Mönchs / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Wie reagieren Buddhisten auf die Frage, welche Religion zu Deutschland gehört?

Carola Roloff (Gastprofessorin an der Hamburger Akademie der Weltreligionen): Generell ist das derzeit kein Thema, das unter Buddhisten groß diskutiert wird. In Hamburg ist das allerdings etwas anders. Da stellen Buddhisten schon die Frage, ob sie weiterhin dazu gehören oder nicht, weil die Stadt seit einigen Jahren mit verschiedenen Gemeinschaften sogenannte Staats- oder Religionsverträge schließt. Hamburger Buddhisten bemühen sich seit 2015 ebenfalls um einen solchen Vertrag. Als Buddhistin und Deutsche bin ich natürlich schon der Meinung, dass der Buddhismus zu Deutschland gehört.

KNA: Warum?

Roloff: Der Buddhismus hat sich seit rund 200 Jahren, also seit Schopenhauer, in die deutsche Kultur hineinentwickelt und ist inzwischen definitiv Teil dieser Gesellschaft. In der Bundesrepublik gibt es inzwischen etwa 255.000 bis 270.000 Buddhisten. Viel Interesse wurde von bekannten buddhistischen Lehrern wie dem Dalai Lama geweckt. Trotz der immer mal wieder aufkommenden Skandale - sei es im vietnamesischen, japanischen oder tibetischen Buddhismus - und trotz der zuletzt erschütternden Gräueltaten an den Rohingyas in Myanmar sieht ein Großteil der Bevölkerung den Buddhismus immer noch als die friedliebendste Religion. Tatsache ist, dass es in Deutschland Religionsfreiheit und Buddhisten aus verschiedenen Ethnien mit deutscher Staatsangehörigkeit gibt. Zudem gibt es aber auch mindestens genauso viele deutschstämmige Buddhisten, zum Teil bis in die dritte oder vierte Generation.

KNA: Wo sehen Sie die wichtigsten Anknüpfungspunkte der buddhistischen Lehre an die europäische Tradition?

Roloff: Der Buddhismus lehrt das Entstehen in Abhängigkeit, also dass alles miteinander vernetzt ist und wir alle miteinander verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wird die Eigenverantwortung stark betont. Jeder Mensch bestimmt selbst, ob er Gutes oder Schlechtes tut, und muss entsprechend auch selbst die Konsequenzen tragen. Hinzu kommt, dass der Buddhismus eine religiöse, eine philosophische und eine naturwissenschaftliche Dimension hat. Buddha hat seine Schülerinnen und Schüler ermutigt, nichts ungeprüft anzunehmen, nur weil er es gesagt hat. Ich finde, diese Ideen des Karma und der Aufforderung zum Zweifeln passen ganz gut in die Aufklärung.

KNA: Also gehen Aufklärung und Buddhismus gut zusammen?

Roloff: Der Weg zu einem aufgeklärten Buddhismus bedeutet schon so manche Veränderungen. Denn ähnlich wie in den etablierten Kirchen gibt es auch im asiatischen Buddhismus Hierarchien. Die Lehre ist sehr patriarchal geprägt. In Deutschland gilt das Grundgesetz für alle, also auch für die Religionen. Wenn es zum Beispiel um die Gleichbehandlung von Mann und Frau geht, darf Religion keine Ausnahme bilden. Denn das deutsche Grundgesetz betont, dass Religionsgemeinschaften sich in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten haben. So ist eine Relativierung von Geschlechtergerechtigkeit aus kulturellen oder religiösen Gründen rechtlich betrachtet nicht zulässig. Wenn das so ist, muss das für alle Religionen gleichermaßen gelten, auch für die alt hergebrachten.

KNA: Die großen christlichen Kirchen sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert und haben so die Möglichkeit, Steuern über den Staat zu erheben. Ist das für buddhistische Gemeinden erstrebenswert?

Roloff: Kirchensteuern könnten erhoben werden, wenn dem Antrag der Deutschen Buddhistischen Union stattgegeben würde, der schon vor Jahren in Bayern gestellt wurde. Als die Deutsche Buddhistische Union 1985 erstmals versuchte, als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, war man sich einig, dass man keine Steuern möchte. "Dana" - zu Deutsch "Freigebigkeit" - ist eine wichtige buddhistische Tugend und erfordert, dass das Geben freiwillig geschieht, sonst ist es keine echte Spende. Nichtsdestotrotz würde eine Kirchensteuer den Buddhisten eine stabilere Grundlage und viele Möglichkeiten bieten. In Italien und Spanien erhalten Buddhisten wie jede Religionsgemeinschaft die obligatorische Kirchen- und Kultursteuer.

KNA: Sie forschen nun seit Anfang des Jahres an der Akademie der Weltreligionen. Womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Roloff: Genau genommen bin ich schon seit 2013 in Vollzeit Teil des Forschungsteams "Religion und Dialog in modernen Gesellschaften" an der Akademie der Weltreligionen. Derzeit sind wir mit zwei Abschlusspublikationen beschäftigt. Parallel habe ich seit 1. Februar eine ständige Gastprofessur für Buddhismus. In den letzten Monaten war ich vor allem mit der Organisation der bevorstehenden internationalen Experten-Konferenz beschäftigt. Es geht vor allem um die Frage, welche Impulse vom Buddhismus für unsere Gesellschaft und den interreligiösen Dialog ausgehen können.

KNA: Wie wird sich nach Ihrer Ansicht das buddhistische Leben in Deutschland weiter entwickeln?

Roloff: Wenn ich in die Geschichte des Buddhismus schaue, ist es naheliegend, dass sich ein europäischer Buddhismus herauskristallisieren wird, der Aspekte verschiedener Traditionen aufgreift und mit der hiesigen Kultur verbindet. Es könnte auch zu einer Spaltung in klassischen und säkularen Buddhismus kommen. Für Europa wünsche ich mir auf jeden Fall einen aufgeklärten, demokratischen und geschlechtergerechten Buddhismus.

Das Interview führte Frank Berno Timm.


Quelle:
KNA