Bundestag stimmt für Neuregelungen zum Familiennachzug

1.000 Flüchtlinge pro Monat können nachkommen

Lange wurde darum gerungen: An diesem Freitag stimmte der Bundestag den Neuregelungen zum Familiennachzug für subsidiär geflüchtete Menschen ab. Verbände und Kirchen kritisieren die geplante Reform.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Seinen Masterplan zu neuen Asylregelungen konnte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bislang in dieser Woche noch nicht verkünden. Zu einem anderen Gesetzentwurf bezog sein Ministerium am Freitag aber noch einmal klar Stellung: Sein Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenminister, Stephan Mayer (CSU), sprach bei den Neuregelungen zum Familiennachzug bei subsidiär geschützten Flüchtlingen von einem "guten Kompromiss" - dem der Bundestag zustimmte.

Humanitäre Kriterien

Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auf wesentliche Punkte der Regelungen verständigt, die das Innenministerium dann in seinem Entwurf noch präzisierte: Ab August sollen 1.000 Angehörige der Kernfamilien von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz pro Monat nachziehen dürfen. Für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember soll dabei laut Bundesinnenministerium die Begrenzung bei insgesamt 5.000 Visa liegen. Bis Jahresende kann das nicht ausgeschöpfte Kontingent auf den Folgemonat übertragen werden, danach nicht mehr.

Wer in das Kontingent der Nachzugsberechtigten aufgenommen wird, soll das Bundesverwaltungsamt nach humanitären Kriterien festlegen. Das bemängeln die Kritiker: Wie soll das Amt entscheiden, ob ein krankes Kind oder eine pflegebedürftige Ehefrau, deren Ehemann schon länger in Deutschland lebt, einreisen darf, so fragen sie. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) will man die Entscheidungen wegen der ohnehin vorhandenen Überlastung nicht zumuten.

Die etwa 200.000 meist syrischen Flüchtlinge mit eingeschränkten Schutzstatus, die in Deutschland leben, schöpfen nun erneut Hoffnung, ihre Familienmitglieder schnellstmöglich nachholen zu können. Seit März 2016 war dieser Nachzug ausgesetzt worden, zunächst für zwei Jahre, weil die Städte und Gemeinden sich mit der Unterbringung der Flüchtlinge überfordert fühlten. Der Bundestag verlängerte die Aussetzung dann noch einmal um ein halbes Jahr bis Ende Juli.

Konkrete Zahlen liegen nicht vor

Dabei ist die Zahl der Familienmitglieder, die die Flüchtlinge ohne die neuen Regelungen nachholen könnten, nach wie vor umstritten. Teilweise war von bis zu 300.000 Nachzüglern die Rede. Ein Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit geht allerdings von deutlich niedrigeren Zahlen aus: 50.000 bis 60.000. Viele der Flüchtlinge, um die es gehe, seien nicht verheiratet und hätten auch keine Kinder, so die Begründung.

Bei der Debatte vor der Abstimmung gab es viel Kritik von der Opposition: Die AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch forderte die Abschaffung des Familiennachzugs, die Schließung der Grenzen und die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen. Linke und Grüne nannten den Entwurf unerträglich für die Betroffenen. Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut sagte, der Gesetzentwurf verstoße gegen das Recht auf Familie. Zudem sei völlig unklar, wer wann kommen dürfe. Die Prüfung überfordere die Behörden. Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg erklärte, das Gesetz adressiere nicht Härtefälle, sondern produziere solche erst. Es lasse viele Menschen im Ungewissen.

Kritik von den Kirchen

Einige Juristen bezweifeln, ob die Neuregelungen dem Grundgesetz entsprechen. Bei einer Bundestagsanhörung zu Wochenbeginn betonte der Rechtswissenschaftler Daniel Thym aber, er halte die geplanten Regelungen für verfassungskonform. Es gebe zudem kein individuelles Recht auf Familienzusammenführung.

Ganz praktische Bedenken haben indes die Leiter der Integrationsbehörden. Bei derselben Anhörung verwiesen sie auf den Zeitdruck, den das Gesetz mit sich bringe: Es sei faktisch unmöglich, die komplexen Regelungen in so kurzer Zeit umzusetzen.

Scharfe Kritik an den Neuregelungen kommt auch von den Kirchen. Sie halten die geplanten Neuregelungen für inhuman. Für die Integration seien sie kontraproduktiv. In einem offenen Brief, den kirchliche zusammen mit anderen Hilfsorganisationen an Bundestagsabgeordnete und die Regierung schickten, bekundeten sie ihre Sorge. Deutschland müsse als starkes Land mit offener Gesellschaft und handlungsfähiger Demokratie auch künftig seiner Verantwortung für die Menschenrechte und den Schutz der Familie auch für Geflüchtete gerecht werden.


Quelle:
KNA