Integrationsräte in NRW sollen nicht mehr verpflichtend sein

Sorge um den "letzten Rest an Wahlrecht"

In Kommunen mit mehr als 5.000 Ausländern gibt es seit Jahren einen Integrationsrat. Er wird von Migranten gewählt und bietet ihnen die Möglichkeit, sich politisch einzubringen. Die NRW-Landesregierung möchte dies nun ändern und erntet Kritik.

Integrationsräte fürchten um politische Einflussnahme / © Bernd Weissbrod (dpa)
Integrationsräte fürchten um politische Einflussnahme / © Bernd Weissbrod ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Zukunft soll nach dem Willen der NRW-Landesregierung die Einrichtung eines Integrationsrates nicht mehr verpflichtend sein. Stattdessen sollen die Kommunen selbst entscheiden, ob sie stattdessen Integrationsausschüsse einrichten wollen. Der entscheidende Unterschied: In diesen Ausschüssen sollen nicht die Migranten, sondern die Ratsvertreter die Mehrheit haben. Der Landesintegrationsrat ist empört. Können Sie das verstehen?

Kai Diekelmann (Abteilungsleiter für Integration und Gemeindecaritas beim Diözesan-Caritasverband Köln): In gewisser Weise ja. Es geht im Kern darum, dass Menschen, die hier in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, vielleicht schon 20 Jahre hier wohnen, aber eben keinen deutschen Pass haben, sondern Ausländer sind, nach Möglichkeit die gleichen Rechte haben möchten wie die deutschen Einheimischen. Das ist beim Wahlrecht bei weitem nicht so. An Bundestagswahlen und Landtagswahlen dürfen Ausländer grundsätzlich nicht teilnehmen. Bei den Kommunalwahlen haben immerhin die EU-Bürger Wahlrecht. Aber wer aus einem anderen Land kommt, eben nicht. Da sind die Integrationsräte die einzige Möglichkeit, selbst Wahlrecht auszuüben. Der Integrationsrat NRW hat die Sorge, dass, wenn die Integrationsräte nicht mehr gegeben sind, man auch den letzten Rest an Wahlrecht verliert.

DOMRADIO.DE: Was sind das denn für Themen, um die es da geht? Welche Themen rufen diese Räte zum Beispiel auf den Plan?

Diekelmann: Die Integrationsräte haben Mitspracherecht, haben beratende Funktion für die Stadt- und Kreisparlamente. Die können sich zu allen Themen, die mit Integration zusammenhängen, zu Wort melden und Vorschläge machen. Etwa, dass es mehrsprachige Kindergärten gibt oder auch andere Themen, die um Integration kreisen.

DOMRADIO.DE: Die NRW-Staatssekretärin für Integration, Serap Güler, hat kritisiert, dass bei diesen bisherigen Listen-Wahlen - und da zitiere ich sie - "auch Feinde der Demokratie versucht hätten Einfluss zu nehmen". Hat sie Recht? Gibt es tatsächlich auch undemokratische Tendenzen in diesen Gremien?

Diekelmann: Es ist so, dass sich zu den Integrationsratswahlen, die mit den Kommunalwahlen gekoppelt sind, alle möglichen Menschen, die in unterschiedlichsten Listen als Kandidaten auftreten, bewerben können. Und da können in der Tat auch Menschen mit extremistischen Ansichten dabei sein. Ich weiß zum Beispiel, dass es in Bonn im Integrationsrat Mitglieder gibt, die ganz eindeutig Salafisten sind. Insofern ist die Sorge der Staatssekretärin nicht ganz unberechtigt. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass der Einfluss der Integrationsräte denkbar gering ist, weil sie nur eine beratende Funktion haben. Sie können letztlich nicht mit entscheiden.

DOMRADIO.DE: Integration und Teilhabe sind unheimlich wichtig in unserer Gesellschaft. Gibt es denn da vielleicht andere, weniger umstrittene Wege der politischen Beteiligung von Migranten?

Diekelmann: Ja. Am wenigsten umstritten ist der Appell an lange hier lebende Ausländer: Werdet doch Deutsche, nehmt die deutsche Staatsangehörigkeit an, dann könnt ihr euch an allen Wahlen beteiligen, sowohl als Wähler als auch als Kandidatinnen und Kandidaten. Eine andere Sache ist, dass sehr viele - unter anderem auch die Caritas - seit vielen Jahren fordern, dass für Nicht-EU-Bürger das Kommunalwahlrecht dann erlaubt wird, wenn sie eine bestimmte Zeit - also etwa fünf Jahre oder länger - hier in Deutschland leben. Da gibt es insbesondere von der Union verfassungsrechtliche Bedenken. Deswegen ist es dazu noch nicht gekommen.

Das Interview führte Verena Tröster.


Flüchtlinge im Deutschunterricht / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Flüchtlinge im Deutschunterricht / © Frank Rumpenhorst ( dpa )
Quelle:
DR