Vor 25 Jahren trat das veränderte Asylrecht in Kraft

Regierungsviertel lahmgelegt

Rund 440.000 Asylanträge wurden 1992 in Deutschland gestellt. Zu viele, fand die Regierung damals. In der Folge änderte die Regierung das Recht auf Asyl grundlegend. Viele Verschärfungen sind bis heute umstritten.

 (DR)

Auch Anfang der 1990er-Jahre stritten Politiker um das Asylrecht. Viele Argumente aus der derzeitigen Asyldebatte lagen schon damals auf den Tisch. In der Folge kam es dann zum sogenannten Asylkompromiss. Nach einer erbittert geführten Debatte trat die Änderung des Asylrechts am 26. Mai 1993, vor 25 Jahren in Kraft.

Seit 1949 hatte jeder das Recht auf Asyl

Auslöser war ein rapider Anstieg der Flüchtlingszahlen. Es kam zu gewalttätigen Übergriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, die Politik reagierte mit einer Verschärfungen des Asylrechts und eine rechtspopulistische Partei erhielt Zuspruch - die Republikaner. Ein wesentlicher Unterschied zur politischen Situation von heute: Es ging damals um eine Grundgesetzänderung, welche viele Regelungen dauerhaft ändern sollte.

Die Schärfe der Auseinandersetzung lässt sich nur vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit verstehen: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten aus der schrecklichen Erfahrung der NS-Zeit die Konsequenz gezogen, Verfolgten großzügig Asyl zu gewähren. Rund eine halbe Million verfolgte Deutsche fanden damals in rund 80 Ländern der Welt Zuflucht vor den NS-Schergen. Viele andere wiederum suchten vergeblich nach Aufnahme und fielen dem Nazi-Terror zum Opfer.

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" hielt deshalb das Grundgesetz 1949 fest. Damit konnte jeder individuell das Recht auf Asyl einklagen. Gerade zur Zeit des Kalten Krieges - in den 50er und 60er-Jahren - suchten vor allem Menschen vor dem kommunistischen Regime in Osteuropa Schutz vor politischer Verfolgung in Deutschland. Seit den 70er-Jahren baten vor allem Flüchtlinge aus Asien und Afrika um politisches Asyl.

Ab 1989 stieg die Zahl der Asylbewerber

Nach dem Fall des Eisernen Vorhang 1989 änderte sich das Bild: Viele Menschen kamen in der Folge auch aus den Gebieten der zerfallenden Sowjetunion und dem ehemaligen Jugoslawien. Die Zahl der Asylbewerber stieg sprunghaft an. Lag sie 1988 jährlich bei bis zu rund 100.000 Menschen, gab es vier Jahre später 438.191 Asylanträge.

Deutschland musste damals die Kosten der Wiedervereinigung schultern, durch die Auflösung vieler Betriebe verloren viele Ostdeutsche ihre Arbeit. Vor allem in den neuen Bundesländern kam es zu ausländerfeindlicher Gewalt: Bilder von brennenden Asylbewerberheimen gingen um die Welt, und Orte wie Rostock oder Hoyerswerda erreichten traurige Bekanntheit.

Die Gewalt richtete sich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen türkische Familien, die schon jahrelang in Deutschland lebten, wie in Mölln und Solingen. Auch viele Medien verbreiteten damals mit Schlagzeilen wie "Das Boot ist voll" eine fremdenfeindliche Stimmung.

Wachsende Spannung in der Gesellschaft

Das war 2015 anders: Da prägten zunächst vor allem die Bilder des Willkommens etwa auf dem Münchner Bahnhof die Medien und verhalfen Deutschland international zu hohem Ansehen. Teilweise verdeckten diese Bilder aber zugleich zahllose Übergriffe auf Asylbewerber und Brandanschläge auf Unterkünfte sowie eine wachsende Spannung in der Gesellschaft. Während der Anstieg der Flüchtlingskrise vor drei Jahren maßgeblich zum Aufstieg der AfD beitrug, blieb damals der Erfolg rechter Parteien überschaubar.

Anfang der 90er Jahre versuchte die Politik zunächst durch schärfere Verfahrensvorschriften ein Anwachsen der Asylbewerberzahlen zu verhindern. Nicht zuletzt durch den gesellschaftlichen Druck verständigten sich Union, SPD und FDP im Dezember 1992 dann aber auf eine Neuregelung des Asylrechts. Dazu wurde der Artikel 16 des Grundgesetzes durch mehrere Zusätze eingeschränkt - und nach Meinung der Kritiker ausgehöhlt. Nach 14-stündiger Debatte stimmten 521 Abgeordnete am 26. Mai 1993 dem Asylkompromiss zu, während 10.000 Demonstranten aus Protest das Bonner Regierungsviertel lahmlegten.

Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Änderung 1996 bestätigte, sind viele damals getroffene Entscheidungen nach wie vor umstritten: So etwa das Konzept der sicheren Herkunftsländer, das in den vergangenen Monaten Länder wie Albanien, Bosnien und Montenegro als sicher deklarierte. Die Politik hatte allerdings ihr Ziel erreicht: die Zahl der Asylgesuche sank.

Christoph Scholz und Birgit Wilke


Quelle:
KNA
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