Unionschef Kauder zur Situation der Christen und Jesiden im Irak

"Wir müssen den Menschen sagen: Es geht weiter"

Unionspolitiker und Nichtregierungsvertreter sehen erste Hoffnungszeichen für Christen und Jesiden im Nordirak. Allerdings müssten die heimkehrenden Menschen Sicherheit haben, betonte Volker Kauder im Interview.

Zerstörte Madonnenstatue im irakischen Karakosch / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Zerstörte Madonnenstatue im irakischen Karakosch / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

DOMRADIO.DE: Tausende Jesiden hat der sogenannte Islamische Staat ermordet, gefoltert und versklavt. Hunderttausende flüchteten seit 2014 aus Angst vor dem Völkermord aus ihrer Heimat im Nordirak. Sie haben heute auf einer Tagung der CDU/CSU mit Nichtregierungsorganisationen unter dem Titel "Einsatz für die Religionsfreiheit – eine Zukunft für Christen und Jesiden im Nordirak" über das Thema gesprochen. Wie ist die Lage für die Jesiden und Christen?

Kauder: Es ist tatsächlich so, dass Jesiden und Christen langsam wieder in ihre Dörfer zurückkommen, aber sie verlangen Sicherheit. Der IS ist zwar bekämpft. Aber, dass viele Dörfer zerstört werden konnten innerhalb von kurzer Zeit hat auch damit zu tun, dass nicht nur der IS sondern beispielsweise auch Nachbarn Christen und Jesiden attackiert hatten.

Alle, die zurückkehren, haben eine gewisse Unruhe in sich, ob die Lage auch hält. Und deswegen verlangen wir beispielsweise von der Zentralregierung in Bagdad aber auch von der Regionalregierung in Erbil, dass Sicherheit garantiert wird. Das heißt auch, dass diejenigen verfolgt werden müssen, die damals die Menschen attackiert haben.

Richtig ist, dass in großem Umfang aufgebaut wird. Das päpstliche Hilfswerk "Kirche in Not" hat schon Tausende von Wohnungen und Häuser wieder repariert und hergerichtet und da wird noch mehr passieren. Es geht wieder aufwärts und wir wollen da auch durchaus zuversichtlich sein.

DOMRADIO.DE: Was muss denn von Seiten der deutschen Politik passieren um die Menschen zu unterstützen?

Kauder: Zunächst einmal tun wir sehr viel. Das ist auch anerkannt worden. Es war beispielsweise Pater Emanuel aus Erbil bei uns, der gesagt hat: "Es wird unglaublich viel gemacht." Das muss nun verstetigt werden. Deshalb müssen wir darum kämpfen, dass wir in unserem Haushalt die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen können. Wir müssen den Menschen da unten im Irak sagen: "Es ist keine Eintagsfliege. Es geht weiter."

Was vor allem zentrale Bedeutung hat – darauf hat Entwicklungshilfeminister Müller hingewiesen: Die Christen und Jesiden sagen nicht in erster Linie: "Es geht um uns", sondern sie sagen: "Es geht um unsere Kinder. Wir wollen dass unsere Kinder in die Schule gehen." 170 Schulen wurden bereits wiedereröffnet. Es müssen aber noch neue gebaut werden. Das heißt, da haben wir noch eine Aufgabe, die uns noch eine ganze Zeit lang fordert.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es auf der anderen Seite aber zum Beispiel Kritik vom Zentralrat der Jesiden in Deutschland. Er sagt, Deutschland sollte weniger Geld in die Entwicklungspolitik stecken und stattdessen mehr politischen Druck auf die Führung im Irak ausüben, um eine bessere Ausgangssituation zu schaffen.

Kauder: Es ist durchaus verständlich, wenn der Zentralrat der Jesiden seine Forderungen formuliert. Wir hatten gerade erst Wahlen im Irak. Es kommt jetzt eine neue Regierung ins Amt. Der hat sich Minister Müller bereits angekündigt. Er war erst vor drei Wochen in Bagdad und auch in Erbil und hat mit der Regierung gesprochen. Wir tun da natürlich schon eine ganze Menge.

Beides muss getan werden. Wir müssen natürlich für die Jesiden, die im Irak in ihre Dörfer zurückkehren wollen, Aufbauhilfe leisten. Das ist Entwicklungshilfe. Wir müssen aber auch mit der Zentralregierung reden, die tatsächlich – so ist auch mein Eindruck – nicht gerade besonders engagiert für solche Minderheiten ist.

DOMRADIO.DE: Jetzt saßen Sie am Mittwoch in Ihrer Fraktion zusammen – als Unionsfraktion CDU/CSU. Haben Sie eigentlich schon mit dem Koalitionspartner SPD gesprochen, wie die zu dem Thema steht?

Kauder: Zunächst einmal ist es ein Thema für uns in der Unionsfraktion seit vielen, vielen Jahren. Aber ich bin mir ganz sicher, dass wir gerade in dem Punkt mit unserem Koalitionspartner einig werden. Auch das Auswärtige Amt ist ja mit seinen Hilfsmitteln in dieser Region unterwegs. Da gibt es wahrscheinlich keine Schwierigkeiten.

Es wird natürlich auch klar sein: Wir haben dieses Projekt im Irak, aber wir haben natürlich auch enorme Herausforderungen beispielsweise im Sudan. Die Mittel für das World Food Programm der UN reichen hinten und vorne nicht aus, obwohl es in den letzten Jahren von zwei Milliarden auf 20 Milliarden Dollar angewachsen ist. Wir müssen dort im Irak einiges tun, aber haben auch Aufgaben in Afrika. Es ist für mich einfach nicht akzeptabel, dass Tausende von Kinder im Sudan vom Tod bedroht sind. Das kann man nicht aushalten.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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