Neue Bildungsministerin im Gespräch

"Chancen der Digitalisierung nicht verpassen"

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek warnt vor falschen Dogmen bei der Kreuzdebatte, fordert aber zugleich ein Signal für die eigene Christlich-Jüdische Tradition. Sie warb außerdem dafür, die Chancen der Digitalisierung in der Schule zu nutzen. 

Anja Karliczek, Bildungsministerin (CDU) / © Britta Pedersen (dpa)
Anja Karliczek, Bildungsministerin (CDU) / © Britta Pedersen ( dpa )

KNA: Frau Karliczek, Sie galten als Überraschungskandidatin im Kabinett. Waren Sie selbst überrascht?

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU): Ja, auch ich war überrascht - und dann gleich ein solch schönes Amt!

KNA: Sie sind 47, haben drei Kinder, drei Ausbildungen, ein Pilotenschein und eine politische Spitzenkarriere. Wie schafft man das?

Karliczek: Vor allem durch den Rückhalt in der Familie. Aber auch durch die Unterstützung vieler Freunde und Weggefährten.

KNA: Wie sieht es in Ihrem neuen Amt aus?

Karliczek: Auch hier ist das Netzwerk das A und O. Ich habe viele engagierte Mitarbeiter, auf die ich mich verlassen kann und die bei Bildung, Wissenschaft und Forschung was bewegen wollen.

KNA: Was verbinden Sie mit Bildung?

Karliczek: Zunächst meine eigene Bildung und die meiner Kinder. Angesichts der rasanten Entwicklung, werden wir uns alle viel stärker auf ein lebenslanges Lernen einstellen müssen. Das gilt es jetzt zu systematisieren, auch angesichts des digitalen Fortschritts. Nur so werden wir im Beruf bestehen und am Fortschritt teilhaben können.

KNA: Es heißt, die Tatsache, dass Sie katholisch sind, habe auch eine Rolle bei Ihrer Berufung ins Ministeramt gespielt. Welche Bedeutung hat der Glaube für Sie?

Karliczek: Er ist für mich Rückzugsort. Die Kirche hat mir schon immer Raum und Zeit gegeben, über mich nachzudenken und mich mit dem Evangelium auseinanderzusetzen. Der Glaube eröffnet mir einen Horizont, der über die alltäglichen Dinge hinausgeht. Das Gottvertrauen gibt mir auch Rückhalt und Vertrauen: Es wird im Letzten gut ausgehen.

KNA: Sie nehmen am Katholikentag teil. Was erwarten Sie sich?

Karliczek: Mir scheint das Thema des Friedens sehr treffend, in einer Zeit, die weltweit sehr unruhig ist und in der viele Menschen unter Kriegen und Konflikten leiden. Ich habe auch den Eindruck, dass die Aggressivität in der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung zunimmt. Da ist es wichtig, einen Gegenpol zu bilden und zu sagen, wir wägen in Ruhe ab und hören die Argumente der anderen erstmal an und fallen nicht über sie her. Deshalb bin ich auf die Podien gespannt.

KNA: Ihre Partei erarbeitet ein neues Grundsatzprogramm. Welche Rolle sollte das "C" spielen?

Karliczek: Wir haben das christliche Menschenbild im Blick: Der einzelne Mensch muss wieder stärker in den Blick genommen werden. Deshalb kann sich unsere Politik auch nicht in zwei, drei Schlagworten erschöpfen. Dabei ist mir das Subsidiaritätsprinzip wichtig: Jeder soll eigenverantwortlich das schaffen, was er kann. Aber wir lassen niemanden alleine, wenn er Hilfe braucht.

KNA: Derzeit wird wieder über das Kreuz im öffentlichen Raum debattiert. Wie ist Ihre Haltung?

Karliczek: Man sollte diese Diskussion nicht aufladen und auch kein Dogma daraus machen. Das halte ich für schwierig. Klar ist, dass wir in Deutschland eine Trennung zwischen Kirche und Staat haben. Aber ich finde es schon wichtig, dass wir das Signal nach außen senden:

Wir haben eine christlich-jüdische Tradition, von der sind wir geprägt und die halten wir hoch.

KNA: Was bedeutet das für die Bildung?

Karliczek: Wir müssen uns wieder unserer Wurzeln bewusster werden. In den vergangenen Jahren war das weniger Thema, weil wir den Eindruck hatten, alles entwickelt sich überwiegend in die richtige Richtung.

Das ist nicht mehr selbstverständlich. Wir müssen uns neu auf unsere Grundwerte besinnen und darüber auch reden. Dann können wir die gesellschaftlichen Herausforderungen gut bewältigen.

KNA: Welche Rolle kann dabei der Religionsunterricht spielen?

Karliczek: Früher hat er stärker Tradition vermittelt. Heute müssen wir die Unterschiede und die Gemeinsamkeit der Religionen herausstellen, das Wissen über die Religionen vermitteln und die gegenseitige Toleranz fördern.

KNA: Sie wollen Milliarden in die Digitalisierung der Schule investieren. Kritiker warnen vor Zerstreuung und Ablenkung der Schüler. Was wäre ein richtiger Ansatz jenseits von Ablehnung oder Euphorie?

Karliczek: Die Digitalisierung wird in alle Lebensbereiche Einzug halten, ob wir das wollen oder nicht. Wir müssen diese Entwicklung sinnvoll gestalten.

KNA: Wo sehen Sie die Chancen für die Schule?

Karliczek: Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten, individueller auf die Bedürfnisse einzelner Schüler einzugehen. Die digitalen Medien sind eine Ergänzung, ein pädagogisches Hilfsmittel, gerade auch in heterogenen Klassen. Selbstverständlich ist es für Kinder wichtig, weiter das Schreiben, auch Schreibschrift, und die manuellen Fähigkeiten zu lernen.

KNA: Braucht es hier weitere Forschung?

Karliczek: Gerade unter sich so stark verändernden Rahmenbedingungen braucht es eine begleitende Forschung. Es geht um eine sukzessive Entwicklung und einen lernenden Prozess. Die Digitalisierung wird sich in unser Bildungssystem einpassen und einfügen müssen. Vieles können wir erst in Langzeitstudien feststellen. Aber wir sollten in keinem Falle die Chancen verpassen, die darin liegen.


Diskussion um Kreuze im öffentlichen Raum / © Peter Kneffel (dpa)
Diskussion um Kreuze im öffentlichen Raum / © Peter Kneffel ( dpa )