Kreuzdebatte: Hochschulpfarrer schreibt offenen Brief an Söder

"Artikel 1 des Grundgesetzes wäre bessere Wahl"

Mit Kreuzen in Staatsbehörden will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder künftig die kulturelle Prägung im Freistaat betonen. Würzburgs Hochschulpfarrer Burkhard Hose kritisiert das in einem offenen Brief. Er hätte etwas anderes aufgehängt.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Sie sind mit der Idee des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, in allen Dienstgebäuden des Freistaates Kreuze aufzuhängen, nicht einverstanden. Warum nicht?

Burkhard Hose (Würzburger Hochschulpfarrer): Ich habe zunächst einmal nichts dagegen, ein Kreuz an die Wand zu hängen. Aber die Begründung von Ministerpräsident Söder, warum die Kreuze aufgehängt werden sollen, hat mich doch sehr nachdenklich gestimmt und dazu gebracht, mich zu Wort zu melden.

Der Ministerpräsident sagt, das Kreuz sei kein Symbol einer Religion, sondern stehe für die Werteordnung und Gesellschaftsordnung in Bayern. Das sei ein Bekenntnis zur Identität Bayerns. Da muss ich doch sagen, dass da meine Phantasie nicht mehr allzu weit reicht, denn das Kreuz ist etwas anderes. Das Kreuz ist ganz eindeutig ein christliches Symbol und es steht natürlich für Inhalte. Diese Inhalte haben nichts damit zu tun, dass man sich gegen andere Religionen oder Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, abgrenzt. Meine Befürchtung ist, dass es aber im Augenblick zunehmend dafür politisch missbraucht wird.

Wenn der Ministerpräsident das Kreuz aufhängt, dann sagt er damit im Augenblick nicht, dass er das Christentum toll findet und er zu der christlichen Botschaft steht, die er leben will und umzusetzen versuchen will, sondern er folgt ein wenig der Spur von anderen Äußerungen wie "der Islam gehört nicht zu Deutschland". Das geht ganz eindeutig in Richtung Abgrenzung gegenüber Muslimen im Land. Da höre ich in einer solchen Aktion eher den Unterton heraus, dass "wir christlich sind und nicht muslimisch. Und das soll auch so bleiben". Dafür taugt meiner Ansicht nach das Kreuz nicht.

DOMRADIO.DE: Das sagen Sie jetzt so. Ministerpräsident Söder würde vielleicht anders argumentieren und zum Ausdruck bringen, dass das Kreuz das Symbol für christliche Werte sei. Auch in Bayern gehöre es zur Identität dazu. Und man solle sich an die christlichen Werte erinnern. Deswegen gehöre das Kreuz auch in die Dienstgebäude hinein.

Hose: Ja, aber die Dienstgebäude sind doch keine christlichen Räume. Wenn er auf die Werteordnung in öffentlichen Räumen hinweisen will, dann kann man durchaus darüber nachdenken, was es da für geeignete Symbole gibt. Warum wird dann nicht zum Beispiel der Artikel 1 des Grundgesetzes in verschiedenen Sprachen in jedem Dienstgebäude aufgehängt? Das ist doch etwas, worauf wir uns als Gesellschaft, die eben nicht nur aus Christen besteht, verständigen könnten.

Darum wird es in der Zukunft auch gehen, dass wir mit Menschen unterschiedlicher Religion uns auf Symbole, auf gemeinsame Werte und auf eine Grundordnung verständigen, die wir ja haben und die wir auch nicht ändern wollen. Und das ist die Verfassung. Nur die Verfassung.

DOMRADIO.DE: Aber das Kreuz ist doch ein grundlegendes Symbol auch für Identität und christliche Werte. Nicht umsonst hat das Christentum auch den Humanismus mit hervorgebracht. Warum ist es denn schlimm, sich daran zu erinnern?

Hose: Dass das Christentum den Humanismus mit hervorgebracht hat, ist eine Variante. Dass der Humanismus aber auch gegen eine bestimmte Form des Christentums geschichtlich erkämpft werden musste, ist die andere Variante.

Ich finde einfach, dass wir uns nicht auf der Ebene der Symbole verlieren sollten, sondern - wenn schon - dann möchte ich auch die Politik an den Inhalten erkennen. Das ist die Kritik, die uns seit Jahren im Kontext der Flüchtlings- und Asylpolitik beschäftigt, dass viele Leute, die auch gerade in christlichen Initiativen für Geflüchtete engagiert sind, die Politik in Bayern gegenüber Geflüchteten das Christliche nicht mehr erkennen lässt.

Die Abschiebungen nach Afghanistan sind inhuman. Sie werden von allen Menschenrechtsorganisationen, auch vom Jesuitenflüchtlingsdienst, um explizit auch eine kirchliche Organisation zu nennen, auf schärfste kritisiert. Bayern hält daran fest, weil natürlich im Augenblick eine Angst vor Rechtspopulisten im Raum steht.

DOMRADIO.DE: Muss die CSU ihr "C" als christliche Partei hinterfragen?

Hose: Das sind Forderungen, die immer wieder im Raum stehen. Da beteilige ich mich nicht dran. Das sind Symboldiskussionen um das "C". Ich finde, man muss über die Inhalte sprechen. Der Brief ist auch eine öffentliche Einladung, genau das zu tun. Was sind eigentlich die christlichen Werte? Wofür steht das Kreuz? Das Kreuz steht eben nicht für Ausgrenzung und Abgrenzung gegenüber anderen Religionen, sondern es steht für Solidarität. Es steht vor allem für die Parteinahme für Schwächere. Genau daran möchte ich zusammen mit vielen anderen wieder erinnern.

DOMRADIO.DE: Sie haben einen offenen Brief an Ministerpräsident Söder geschrieben. Rechnen Sie mit einer Antwort von ihm?

Hose: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Natürlich hoffe ich, dass der Brief ihn erreicht und dass er auch zum Nachdenken anregt. Natürlich ist auch der Brief, so wie die öffentliche Aktion, die der Ministerpräsident gestartet hat, an mancher Stelle zugespitzt formuliert. Aber er ist auch als offene Einladung an alle zu verstehen, die politisch verantwortlich oder in den Kirchen unterwegs sind, doch über die Inhalte zu reden und sich darauf zu besinnen, wofür das Christentum und das Kreuz stehen.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Burkhard Hose (KNA)
Burkhard Hose / ( KNA )
Quelle:
DR
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