Partei "Islam" bei Gemeinderatswahlen will "Islamischen Staat"

Extreme Politik

Bei den Gemeinderatswahlen in Belgien im Oktober tritt in 28 Gemeinden die Partei "Islam" an. Sie fordert unter anderem einen "Islamischen Staat" und separaten öffentlichen Nahverkehr für Männer und Frauen.

In Belgien tritt die Partei "Islam" in 28 Gemeinden zur Wahl an / © Britta Pedersen (dpa)
In Belgien tritt die Partei "Islam" in 28 Gemeinden zur Wahl an / © Britta Pedersen ( dpa )

Das berichten belgische Medien am Freitag. Die Partei "Islam" betont demnach, nicht einem "extremen Islam" anzuhängen. Die belgischen Grundwerte sollten nicht berührt werden, wird der Schatzmeister der Partei, Redouane Ahrouch, von der Zeitung "Het Belang van Limburg" zitiert.

Ahrouch: Kaum Extremisten in muslimischer Gemeinschaft

Man fordere etwa keine Verpflichtung zum Kopftuch, so Ahrouch, der seit 2012 Gemeinderatsmitglied in Anderlecht ist. Die Partei wolle zeigen, dass Extremisten in der muslimischen Gemeinschaft in der Minderheit seien. Der Vizepräsident der Partei, Talal Magri, hatte zuvor erklärt, man sei auch offen für nichtmuslimische Kandidaten.

Bereits bei den Gemeindewahlen 2012 trat die Partei mit vier Kandidaten an. In der Brüsseler Gemeinde Sint-Jans-Molenbeek und in Anderlecht wurden sie gewählt. Bei den landesweiten Wahlen am 14. Oktober tritt die Partei nun in 14 Brüsseler und in 14 wallonischen Gemeinden an.

Brüsseler Dschihadisten-Hochburg Molenbeek

Die Brüsseler Gemeinde Molenbeek gilt als Dschihadisten-Hochburg. Die hier operierenden islamistischen Netzwerke sind für Außenstehende noch immer ein großes schwarzes Loch. Diejenigen, die für das Anwerben von Nachwuchs sorgten, seien schwer aus dem Verkehr zu ziehen, da sie hoch mobil seien und fast unsichtbar agierten, erzählt Olivier Vanderhaeghen.

Mehdi Nemmouche, der 2015 vor einem jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen erschoss, wohnte hier vor der Tat. Der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge von Paris im November 2015, Abdelhamid Abaaoud, und sein mutmaßlicher Helfer Salah Abdeslam wuchsen hier auf. Auch die Terrorzelle der Brüsseler Anschläge im März 2016 hatte enge Verbindungen zu Molenbeek. Von den geschätzt rund 500 belgischen Dschihadisten, die sich in Syrien und Irak der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben, kommt mehr als jeder Zehnte von hier.

Nährboden für terroristische Strukturen?

Die Gemeinde, in der rund 25 Prozent der Bewohner marokkanische Wurzeln haben, bietet offensichtlich einen idealen Nährboden für terroristische Strukturen und für Radikalisierung. Die Jugendarbeitslosigkeit lag zuletzt bei Werten deutlich über 30 Prozent. Laut einer Studie des European Institute of Peace floriert zudem der Drogenhandel und es gibt wenig Wohnraum. In einer Liste der 589 belgischen Gemeinden wird Molenbeek als zweitärmste geführt.

Johan Leman, emeritierter Professor für Anthropologie, ist ein Urgestein in Molenbeek. Er sieht Armut jedoch nicht unbedingt als Hauptursache der Extremismus-Probleme. "Es sind nicht die Ärmsten, die sich in Molenbeek radikalisieren. Abaaoud hat eine gute Schule besucht, Abdeslams Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen", sagt er mit Blick auf die zwei bekannten Mitglieder der Pariser Terrorzelle.

Drogenhandel als Faktor für Radikalisierung

Leman sieht eher den grassierenden Drogenhandel in Molenbeek als entscheidenden Faktor. "Molenbeek befindet sich auf einer Linie, die in Marokko beginnt, Spanien und Frankreich durchzieht und in Brüssel endet (...) es scheint mir, dass drogenkriminelle Strukturen wohl dschihadistische Netzwerke begünstigen."

Imame, Jugendzentren, Familienangehörige, Lehrer, Polizisten oder Sozialarbeiter - sie alle beteiligen sich in Molenbeek am Kampf gegen den Dschihadismus. Allerdings ist man sich nicht einmal über die Ursachen einig. Ob es nun soziale Herausforderungen, Identitätskrisen oder Drogen sind - es gibt grundverschiedene Erklärungen. Hinzu kommt, dass die in Molenbeek operierenden islamistischen Netzwerke für Außenstehende noch immer ein großes schwarzes Loch sind.


Quelle:
KNA , dpa
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