Vor 60 Jahren traf das EU-Parlament zum ersten Mal zusammen

"Von der Puppe zum Schmetterling"

Am Montag feiert das EU-Parlament Geburtstag, am 19. März 1958 fand die konstituierende Sitzung statt. In seinen 60 Jahren hat es Kompetenzen hinzugewonnen - und die Zahl seiner Mitglieder verfünffacht.

EU-Parlament Brüssel / © Olivier Hoslet (dpa)
EU-Parlament Brüssel / © Olivier Hoslet ( dpa )

Gespannt sitzen die Männer in schwarzen Anzügen und Krawatte im Parlamentssaal. Alle Blicke sind nach vorn gerichtet, als die Wahl des ersten Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung angekündigt wird. Es ist ein historischer Moment im Parlamentssaal in Straßburg, als am 19. März 1958 Parlamentarier aus sechs europäischen Ländern zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Als der soeben gewählte Parlamentspräsident Robert Schuman das Podium betritt, bricht tosender Applaus aus. In seiner Antrittsrede als Parlamentspräsident erklärt Schuman, die Versammlung trage künftig die Bezeichnung 'Parlament'. Auch wenn die Schwarzweiß-Aufnahmen von damals eher steif wirken, fangen sie die Emotionen doch ein.

Abgeordnete wurden nicht direkt gewählt 

Vor 60 Jahren hatte das Parlament noch nicht 751, sondern 142 Mitglieder. Sie wurden nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von den nationalen Parlamenten entsandt. Der Bundestag schickte damals 36 Parlamentarier von CDU, CSU, SPD, FDP und der Deutschen Partei (DP). Im gesamten Europäischen Parlament waren die Christdemokraten die zahlenmäßig stärkste Fraktion. Derzeit gibt es acht Parlamentsfraktionen. Die stärkste ist die christdemokratische Europäische Volkspartei mit 219 Mitgliedern, gefolgt von den Sozialdemokraten. Die kleinste ist die Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" mit 36.

Vieles hat sich geändert

In der Publikation "Herzenssache Europa - Eine Zeitreise" verglich der 1976 gestorbene italienische Christdemokrat Emilio Battista die Verwandlung der Gemeinsamen Versammlung ins Europäische Parlament mit einem Schmetterling, der aus der Puppe schlüpft und seinen ersten Flug unternimmt. Der damalige Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten, Pierre Wigny, forderte bereits am Tag der konstituierenden Sitzung, dass die Parlamentsmitglieder sobald wie möglich in direkter Wahl gewählt werden sollen. Doch es dauerte über 20 Jahre, bis es so weit war. Vieles hat sich seither geändert. Doch eines kann man immer noch beobachten: die Kopfhörer. Jede Plenardebatte wird in die 24 offiziellen Sprachen der EU übersetzt, und jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit, in seiner Muttersprache zu sprechen. Ein Privileg, dass auch nach den Erweiterungen der Union auf 28 Mitglieder beibehalten wurde.

Die Abgeordneten pendeln heute zwischen Straßburg und Brüssel

Während im belgischen Sitz Ausschuss- und Fraktionssitzungen stattfinden, sind es am französischen einmal im Monat die Plenarsitzungen. Am dritten Parlamentssitz in Luxemburg sind Verwaltungsbeamte und Übersetzer untergebracht. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 wurden die Rechte des Parlaments ausgebaut. Die Abgeordneten erhielten in einigen Bereichen über das Verfahren der Zusammenarbeit legislative Kompetenzen, etwa bei der Gesetzgebung zur Einrichtung des Binnenmarktes. Zudem wurde dem Parlament ein Zustimmungsrecht zu Beitritts- und Assoziierungsverträgen eingeräumt. Auch der Name "Parlament" ging 1986 offiziell in die Verträge ein.

Parlament mit vielen Kompetenzen

Mit dem Vertrag von Maastricht 1992 erhielt das Parlament weitere Kompetenzen in der Gesetzgebung über das Mitentscheidungsverfahren. Zudem mussten sie dem Gesamt der EU-Kommission zustimmen, bevor diese ihr Amt antreten konnte. Mittlerweile ist das Mitentscheidungsverfahren, an dem Parlament und Rat gleichberechtigt beteiligt sind, das gängige Gesetzgebungsverfahren. Gesetze ohne Mitsprache des Parlaments sind die Ausnahme. Auch bei internationalen Handelsabkommen muss das EU-Parlament heute zustimmen. Und mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte rückt es immer wieder den Mut von Aktivisten in anderen Teilen der Welt in den Vordergrund, die sich für ihre Mitmenschen einsetzen.

Beim Parlament ist heute immer etwas los: Anhörungen zu aktuellen Themen, Debatten und Abstimmungen. Viele Gebäudeteile sind nach den Präsidenten aus der Frühzeit der Versammlung benannt wie dem Belgier Paul Henri Spaak (1952-1954) oder dem Italiener Alcide De Gasperi (1954). Zuletzt prägten besonders die deutschen Präsidenten Hans-Gert Pöttering (CDU) und Martin Schulz (SPD) das Geschehen.


Quelle:
KNA