Kampf für Lebensrecht trotz Down-Syndrom

"Wir haben viel mehr gemeinsam als uns trennt"

Trisomie 21 bei Föten wird immer früher entdeckt. Das setzt vielfach Frauen unter Druck, sich für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden. In den USA befeuert das den Einsatz von Lebensschützern wie Karen Gaffney.

Junge mit Down-Syndrom (dpa)
Junge mit Down-Syndrom / ( dpa )

Baby Lucas erweicht seit Wochen die Herzen der US-Amerikaner. Der Eineinhalbjährige mit dem grünen Hemdchen und der gepunkteten Fliege ist ein kleiner Medienstar. Ein Hersteller für Babynahrung hat ihn als "Gerber Spokesbaby 2018" zum Hauptdarsteller einer Werbekampagne gemacht.

Botschaft: Der Junge lebt nur anders

Das rührende Foto hat seine Mutter an die Firma geschickt, um zu zeigen, dass ihr mit Trisomie 21 zur Welt gekommenes Baby kein bedauernswertes Opfer des Schicksals ist. Obwohl das Down-Syndrom mit geistigen und körperlichen Einschränkungen einhergeht, genieße Lucas sein Leben.

Der Junge leide nicht, sondern lebe nur anders, ist die Botschaft der Kampagne. Sie hat eine neue Diskussion über die Frage entfacht, ob ein Leben mit Mongolismus, wie man den genetischen Defekt früher nannte, lebens- und schützenswert ist.

Einsatz für das Lebensrecht von Föten

Die Debatte ist ganz im Sinne von Karen Gaffney, die weltweit für das Lebensrecht von Föten eintritt, bei denen durch Pränataldiagnostik Trisomie 21 festgestellt wurde. Niemand kann das glaubwürdiger einfordern als sie. Die Frau aus Portland im US-Bundesstaat Oregon lebt selbst mit dem Gendefekt.

Gaffney verändert genau wie Baby Lucas den Umgang der Gesellschaft mit den Betroffenen. Mehrmals schwamm sie von San Francisco durch das eiskalte Meer zur ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz. 2001 schaffte sie als Mitglied einer Staffel sogar die Durchquerung des Ärmelkanals.

Abtreibungsquote bei Trisomie-21 über 90 Prozent

Noch beeindruckender sind ihre Fähigkeiten als engagierte Rednerin. Erst im Januar zog sie die Zuhörer einer "One-Life"-Veranstaltung in Los Angeles durch ihren Vortrag in den Bann. "Ich möchte, dass meine Botschaft laut und deutlich ankommt", rief sie den Anwesenden zu, die ihr leidenschaftliches Plädoyer gegen Abtreibung mit stehenden Ovationen quittierten.

Die Organisatorin der Veranstaltung, Kathleen Domingo, ist wie viele andere in der Pro-Life-Bewegung tief beeindruckt von der redegewandten Gaffney, deren Chance, heute geboren zu werden, von Jahr zu Jahr kleiner würde. Die Abtreibungsquote nach einer Trisomie-21-Diagnose bewegt sich in Europa bei 92 Prozent, in den Vereinigten Staaten entscheiden sich mehr als zwei von drei Frauen für einen Abbruch.

Reden gegen die Ängste von Eltern

Die Präsidentin des "March of Life", Jeanne Mancini, spricht von "einer schockierenden Bilanz". Umso willkommener ist nun die durch Baby Lucas ausgelöste Debatte. Sie habe die Kraft, Herzen zu bewegen, um über die Möglichkeiten nach einer Trisomie-21-Diagnose anders nachzudenken.

Die Pro-Life-Bewegung hofft auf eine Umkehrung des Trends, der zu immer mehr Abbrüchen geführt hat. Gaffney, die an einer katholischen High School den Abschluss schaffte, trägt ihren Teil dazu bei. Sie hält Reden gegen die Ängste betroffener Eltern: "Ich sage Ihnen, es gibt ein Leben für Menschen wie mich."

Ehrendoktor für Karen Gaffney

Befürworter liberaler Abtreibungsregeln widersprechen und verweisen auf die ihrer Meinung nach unzulässige Gegenüberstellung von Behindertenrechten und der Entscheidungsfreiheit der Frau in Sachen Abtreibung. Nach Angaben des Guttmacher-Forschungsinstituts gelten in mehreren US-Bundesstaaten Gesetze, die den Zugang zu Abtreibungen bei Fehlentwicklungen des Fötus einschränken.

Gaffney und Baby Lucas rücken die Rechte ihrer Schicksalsgenossen ins Zentrum der öffentlichen Diskussion. "Sie ist eine junge Frau, die sich nicht dauernd sagen lassen will, was sie nicht kann", sagte der Rektor der University of Portland in Oregon, Tom Greene, als er Gaffney 2013 die Ehrendoktor-Würde verlieh.

Der erste weltweit für einen Menschen mit Down-Syndrom. Ihre Botschaft an die "normalen" Menschen im Publikum brachte ihr Anliegen damals auf den Punkt: "Ich möchte allen ohne Down-Syndrom zu verstehen geben, dass wir viel mehr gemeinsam haben als uns trennt."

Bernd Tenhage


Quelle:
KNA
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