SPD und Union würdigen Kirchen

"Auf der Basis der christlichen Prägung"

Der Koalitionsvertrag würdigt Kirchen und Religionsgemeinschaften, betont beim Islam aber besonders die Prävention vor Radikalisierung. Beim Thema Ethik wird er nur in einem Punkt ausführlicher.

Autor/in:
Christoph Scholz
Schlüsselbegriffe des Koalitionsvertrags der Großen Koalition  / © Christoph Dernbach (dpa)
Schlüsselbegriffe des Koalitionsvertrags der Großen Koalition / © Christoph Dernbach ( dpa )

Fast 180 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Neben den großen politischen Themen geht es darin auch um Grundsatzfragen über den Zusammenhalt der Gesellschaft oder ethische Herausforderungen. Gerade bei der Ethik bleibt allerdings viel offen oder unerwähnt, wohl auch, da sich mögliche Lösungen einer parteipolitischen Einordnung entziehen.

Ausdrücklich berufen sich die Parteien auf die "christliche Prägung unseres Landes" als Basis für "ein gleichberechtigtes gesellschaftliches Miteinander in Vielfalt". Besondere Berücksichtigung finden Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als zivilgesellschaftliche Akteure. Sie "stiften Identität und vermitteln Werte", heißt es in dem Vertragsentwurf. Und sie leisten "einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft in Deutschland und Europa".

Darüber hinaus seien sie wichtige Stützen im Bildungs- und Sozialwesen mit Kindertageseinrichtungen und Schulen, mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Allgemein betonen Union und SPD, dass sie den Dialog und die Zusammenarbeit des Staates mit den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verstärken wollen.

Kirchen werden zum interreligiösen Dialog ermutigt

Kirchen und Religionsgemeinschaften werden zum interreligiösen Dialog ermutigt, "denn das Wissen über Religionen, Kulturen und gemeinsame Werte ist Voraussetzung für ein friedliches Miteinander und gegenseitigen Respekt". Dabei unterstreichen Union und SPD, dass sie Antisemitismus entschieden bekämpfen und anti-islamischen Stimmungen entgegentreten wollen.

Der Vertrag bekennt sich zur Unterstützung der wachsenden jüdischen Gemeinden und will die vertraglich festgehaltenen Staatsleistungen entsprechend anpassen. «Nach der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden haben wir Deutschen eine immerwährende Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus», betonen Union und SPD.

Mit Blick auf den Islam wollen die Koalitionsparteien die Deutsche Islamkonferenz fortsetzen. In welcher Zusammensetzung und mit welchem Ziel, das wird nicht gesagt. Der Islam taucht vor allem mit Blick auf den Kampf gegen radikale Tendenzen wie den Salafismus auf. Union und SPD erwarten, "dass Imame aus dem Ausland Deutsch sprechen. Radikalisierte Moscheen werden wir beobachten und gegebenenfalls schließen", heißt es weiter.

Abstammungsrecht muss modernisiert werden

Bei ethischen Fragen weist das Papier darauf hin, dass vor dem Hintergrund der "Fortschritte in der Reproduktionsmedizin und Veränderungen in der Gesellschaft" das Abstammungsrecht modernisiert werden muss. Details werden nicht genannt, sondern auf die Ergebnisse des "Arbeitskreises Abstammungsrecht" verwiesen. Rechtsexperten und Ethiker hatten empfohlen, auf veränderte Formen von Familie und Elternschaft zu reagieren und einen verlässlichen rechtlichen Rahmen auch für Kinder schaffen, die durch reproduktionsmedizinische Verfahren wie Samen- und Eizellspende oder Embryonenadoption gezeugt wurden. Auch durch die Ehe für alle gibt es neue Eltern-Kind-Beziehungen.

Zu den damit verbundenen brisanten Themen der Reproduktionsmedizin äußert sich der Vertrag nicht. Dazu zählen etwa die in Deutschland bislang verbotenen Methoden der Eizellspende, der Leihmutterschaft oder der Umgang mit überzähligen Embryonen. Auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) findet keine Erwähnung. Gleiches gilt für die neuen gentechnischen Möglichkeiten. Denn mit der CRISPR/Cas-Technik können Wissenschaftler gezielt das Erbgut von Organismen verändern - auch die menschliche Keimbahn. Viele Forscher und Ethiker ein Moratorium. Der Koalitionsvertrag schweigt dazu.

Bei Umgang mit kritischen Daten einigten sich Union und SPD auf eine "Daten-Ethikkommission". Sie soll Regierung und Parlament innerhalb eines Jahres einen Entwicklungsrahmen für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlagen. Schließlich sieht der Vertrag vor, die kurz vor der Bundestagswahl einführte "Ehe für alle" im gesamten Recht zügig umzusetzen.


Martin Schulz (SPD), Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Martin Schulz (SPD), Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
KNA