Leo-Baeck-Preis für Norbert Lammert

Der Nation ins Gewissen geredet

Für seine deutlichen Worte gegen Antisemitismus und sein Eintreten für die Erinnerung an die NS-Verbrechen hat der Zentralrat der Juden in Deutschland am Donnerstagabend den früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert geehrt.

Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

In Berlin nahm der CDU-Politiker den Leo-Baeck-Preis entgegen. Lammert gehöre zu jenen Politikern, "die glaubwürdig und aus tiefer demokratischer Überzeugung die Verbrechen der NS-Zeit beim Namen nennen und Verantwortung für ihr heutiges politisches Handeln daraus ableiten", hieß es zur Begründung.

Hoher Respekt vor allen Religionen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, lobte bei der Verleihung Lammerts Engagement für Demokratie, seine eindrücklichen und teils unbequemen Worte zum Holocaust-Gedenken sowie sein Eintreten für die deutsch-israelische Freundschaft. Der ehemalige Bundestagspräsident zeichne sich durch "einen festen eigenen Standpunkt bei gleichzeitiger Offenheit für andere Haltungen sowie einen hohen Respekt vor anderen Religionen" aus.

Schuster betonte vor rund 300 namhaften Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirche, dass Lammert bei den Holocaust-Gedenktagen alle Opfergruppen in den Blick genommen habe. Auch wenn die jüdische Gemeinschaft das Infragestellen der Singularität der Schoah oder Gleichsetzungen ablehne, begrüße man es ausdrücklich, wenn auch anderer Opfergruppen der Nationalsozialisten gedacht werde.

Freiheit des Gewissens

Der Zentralratspräsident erinnerte daran, dass es in absehbarer Zeit wohl kaum mehr Zeitzeugen gebe. Das sei einer der Gründe, warum er seit langem für Gedenkstättenbesuche im Lehrplan plädiere. Es irritiere ihn, warum dies an vielen Stellen auf Ablehnung stoße. Schuster rief dazu auf, erst einmal mit Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln und zu prüfen, welche Voraussetzungen an Schulen und in den Gedenkstätten nötig seien.

Die Laudatio bei der Verleihung des Leo-Baeck-Preises hielt der Schriftsteller Navid Kermani. Das Eintreten für die Freiheit des Gewissens, das christliche Politikverständnis und das Engagement für die Ökumene, die Einsicht in die Gefahr des Nationalismus und die Leidenschaft für das vereinte Europa seien Kontinuitäten im Leben Lammerts, sagte Kermani. Der Autor erinnerte daran, wie selbstbewusst Lammert sein Amt ausgeübt habe. Dieser sei gewiss nicht "übermäßig von Selbstzweifeln geplagt", er habe aber auch oft mit seinem Humor für Heiterkeit und Beifall im Bundestag gesorgt.

Zwölf Jahre lang Präsident des Bundestags

Lammert bedankte sich für die Ehrung und die Worte Kermanis. Der ehemalige Bundestagspräsident hob die besondere Freundschaft Deutschlands zu Israel hervor, die ohne das Erinnern nicht denkbar sei. Er verwies auch auf den weiter existierenden Antisemitismus, der aufgrund der Geschichte in Deutschland immer etwas anderes sei als in anderen Ländern Europas. Dabei fielen statistisch weder Muslime im Allgemeinen noch Flüchtlinge als Täter besonders ins Gewicht.

Der CDU-Politiker war zwölf Jahre Präsident des Bundestags und gehört dem im September 2017 neu gewählten Parlament nicht mehr an. Die traditionelle Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, die am Mittwoch stattfand, leitete in diesem Jahr Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ein. Hauptrednerin war die Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch, die bewegend über ihre KZ-Haft berichtete.

Leo-Baeck-Preis wird seit 1957 vergeben

Der Leo-Baeck-Preis erinnert an den Rabbiner Leo Baeck (1873-1956), der ein bedeutender Vertreter des liberalen Judentums seiner Zeit war. Mit der Auszeichnung ehrt der Zentralrat der Juden seit 1957 Persönlichkeiten, die sich für die jüdische Gemeinschaft eingesetzt haben. Sie ist mit 10.000 Euro dotiert.

Bisherige Preisträger sind unter anderen die früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. 2015 erhielt der Grünen-Politiker Volker Beck die Auszeichnung.


Quelle:
epd , KNA
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