Evangelische Kirche sieht fatale Entwicklung beim Familiennachzug

"Begrenzung ist kleinherzig"

Noch ist nichts endgültig beschlossen, aber die Pläne von Union und SPD zum Familiennachzug sind schon jetzt umstritten. Der EKD-Migrationsbeauftragte und der Diakonie-Präsident sehen darin keine Wertschätzung der Familie.

Autor/in:
Corinna Buschow, Marc Patzwald
EKD kritisiert am Familiennachzug die geringe Wertschätzung für die Familie / © Sophia Kembowski (dpa)
EKD kritisiert am Familiennachzug die geringe Wertschätzung für die Familie / © Sophia Kembowski ( dpa )

Der EKD-Migrationsexperte Manfred Rekowski kritisiert die von Union und SPD geplante Deckelung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutzstatus. Ein monatliches Kontingent von 1.000 engen Angehörigen mache aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für wenige Menschen, sagte der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aus Recht wird letztendlich ein Gnadenakt. Das ist eine fatale Entwicklung."

Keine Wertschätzung der Familie

Die Herausforderung bestehe darin, die Not insbesondere von minderjährigen Flüchtlingen zu lindern, betonte Rekowski. Dies werde so nicht ansatzweise gelingen. "Die Aussetzung des Familiennachzugs fördert nicht das Zusammenleben in unserem Land und entspricht schon gar nicht der Wertschätzung der Familie, wie sie im Grundgesetz verankert ist und unserer christlichen Überzeugung entspricht", sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

"Ich hätte mir gewünscht, dass die zukünftige Regierung den erleichterten Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder ermöglicht", unterstrich der 59-jährige Theologe. Denn Familie biete den Raum, in dem Verantwortung füreinander übernommen werde. "Die Politik darf nicht am Sonntag das hohe Lied auf die Familie singen und im Alltag kleinmütig Familienzusammenführung faktisch verhindern", sagte Rekowski.

Diakonie rügt Kompromiss

Auch die Diakonie hat die Pläne von Union und SPD für eine Deckelung der Aufnahme kritisiert. "Diese Begrenzung ist kleinherzig", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein reiches Land wie Deutschland könne mehr als 1.000 Menschen die Familienzusammenführung ermöglichen. "Zumal völlig ungeklärt ist, nach welchem Verfahren diese 1.000 Menschen bestimmt werden sollen", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtverbandes.

Lilie bezeichnete auch die von der SPD nachverhandelte Härtefall-Regelung als unzureichend. "Jeder Fall, in dem eine Familie zerrissen bleibt, ist eine menschliche Härte", sagte der Diakonie-Präsident. Besonders "krass" sei die Situation unbegleiteter Jugendlicher, die ohne Eltern und Geschwister aufwachsen müssten.

Die Verhinderung des Familiennachzugs sei zudem ein "integrationspolitisches Armutszeugnis", betonte Lilie. "Wer sich den ganzen Tag lang sorgen muss, wie seine Nächsten in einem Kriegsgebiet überleben, hat nicht den Kopf und die Seele frei, sich mit ganzer Kraft auf die Zukunft in der neuen Heimat einzulassen", sagte er. Die Regelung zeuge "weder von Herz noch von Verstand".

Entscheidung im Bundestag

Der Bundestag will an diesem Donnerstag über eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte abstimmen. Dabei geht es um eine Übergangsregelung bis Ende Juli. Union und SPD haben sich darauf verständigt, ab August pro Monat 1.000 Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen mit dem untergeordneten Schutzstatus aufzunehmen. Damit würde dann die seit März 2016 geltende Aussetzung aufgehoben, die ohne eine weitere Verlängerung bereits Mitte März auslaufen würde.

Einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungen, wie es ihn vor März 2016 gab, gibt es für die Gruppe dann aber auch ab August nicht, wie Unionspolitiker betonten. Der 2015 eingeführte Familiennachzug für eingeschränkt Schutzberechtigte wurde angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen kurz darauf für zwei Jahre ausgesetzt. Die Frist dafür läuft Mitte März aus.


Quelle:
epd