Berliner Martin-Luther-Gedächtniskirche von NS-Symbolik geprägt

Vom Führerkult zum Versöhnungsauftrag

Vor 85 Jahren kam Adolf Hitler an die Macht. 1933 begann auch der Bau der Berliner Martin-Luther-Gedächtniskirche. Wie wenige andere ist sie im Inneren von NS-Ideologie geprägt und zeugt damit auch von der Verführbarkeit von Christen.

Autor/in:
Christoph Koitka
In der Martin-Luther-Gedächtniskirche / © Markus Nowak (KNA)
In der Martin-Luther-Gedächtniskirche / © Markus Nowak ( KNA )

Als "Nazi-Kirche" hat die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf einen fragwürdigen Ruf. Doch haben stramme Nationalsozialisten sich dort 1933 wirklich einen Tempel geschaffen, der ihrem Führer Adolf Hitler huldigen sollte? Viele Indizien deuten darauf hin - heute aber ist das genaue Gegenteil der Fall.

"Wir wollen hier keine Pilgerstätte für irgendwelche Glatzen", stellt Pfarrer Detlef Lippold bei einem Besuch gleich klar. Gemeinsam mit zwei Kollegen ist der 56-Jährige für den ungewöhnlichen Bau mit vielen Symbolen der NS-Herrschaft verantwortlich. Den Begriff "Nazi-Kirche" lehnt er ab: "Das klingt ja, als hätten sich die Nazis hier eine Walhalla gebaut!" Tatsache ist aber auch: In dem Gebäude verewigten sich "Deutsche Christen", eine antisemitische Strömung im damaligen Protestantismus - inklusive Führerkult.

Pläne für Kirchenbau schon länger in der Schublade

Die Initiative zur Errichtung des Gotteshauses im Süden der Hauptstadt kam jedoch weder von den Nazis noch von den mit ihnen sympathisierenden Christen: Die Pläne dafür sowie für mehrere Gemeindebauten lagen schon vor der Machtübergabe an Hitler in der Schublade der Kirchengemeinde. Dass die Bauarbeiten wie die Nazi-Herrschaft 1933 begannen, ist Zufall. Eigentlich war der Kirchenbau schon 1931 genehmigt worden, doch die Weltwirtschaftskrise verzögerte die Realisierung.

Bei der Inneneinrichtung wurden dann Antisemiten und Militaristen tonangebend. So starrte der Überlieferung nach in der Vorhalle einst ein Relief Hitlers auf die Besucher - heute sind es nur die steinernen Augen des früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) und des Reformators Martin Luther (1483-1547). Luthers Kirchenlied "Eine feste Burg ist unser Gott", das als Spruchband den Eingangsbereich ziert, liest sich in diesem Umfeld gleich eine Spur martialischer.

Nur wenige Gottesdienste

Bereits beim Betreten der Kirche fällt der satte Braunton auf, in dem das Gotteshaus gehalten ist. Eine Anspielung auf die "Schmuckfarbe" der Nationalsozialisten ist dies nicht zwangsläufig, wie Lippold klarstellt - auch wenn sich dieser Gedanke aufdrängt. Denn ein großes Relief am Altarraum mischt christliche und NS-Symbolik - die Hakenkreuze wurden nach dem Krieg herausgemeißelt, Adler und Soldaten blieben. Jesus am Kreuz wird als muskelbepackter Triumphator dargestellt - "wie John Rambo", findet Lippold in Anspielung auf den Action-Held im Kino.

Überdies ist auf der Kanzel direkt neben dem Messias ein Soldat mit Stahlhelm ins Holz geschnitzt. Trotzdem predigt Pfarrer Lippold von dieser Kanzel, wenn Gottesdienste gefeiert werden. Das ist aber nur wenige Male im Jahr der Fall, weit häufiger kommen Reisegruppen nur zur Besichtigung.

Einblicke nur mit sachkundiger Führung

Als Gedächtnisstätte ist die Kirche heute auch ein Ort, der die Versöhnung der Völker fördern soll. Nicht nur die Konfirmanden der Gemeinde setzen sich dort mit der Geschichte der NS-Zeit auseinander: Eine Kapelle erinnert an den evangelischen Liederdichter Jochen Klepper und dessen Familie. Kleppers jüdische Frau ließ sich dort 1938 vor der Hochzeit taufen. Dennoch wurde die Ehe von den Nazis als "nichtarisch" eingestuft. Um einer Deportation zuvorzukommen, wählte die Familie 1942 den Suizid.

Ohne sachkundige Führung steht die Kirche nicht offen: "Sie verträgt keine unbegleitete Besichtigung", sagt Lippold. Dies soll verhindern, dass Rechtsextremisten Erinnerungsfotos schießen oder den Bau auf sonstige Weise für ihre Zwecke missbrauchen. Das Engagement der Gemeinde zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte scheint Früchte zu tragen: Schon lange war die Martin-Luther-Gedächtniskirche kein Ziel von Neonazis mehr.


Quelle:
KNA