In Deutschland ist das Verhältnis von Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften und Staat partnerschaftlich. Es gibt Konkordate und andere Staatskirchenverträge. Die weltanschauliche Neutralität des Staates, der sich mit keiner Religionsgemeinschaft identifizieren darf, lässt "gemeinsame Angelegenheiten" (res mixtae) entstehen. So dürfen etwa die Gemeinschaften mit "Körperschaftsstatus" Kirchensteuer (im Falle der jüdischen Gemeinden abweichend Kultussteuer genannt) erheben. In der Praxis wird diese Steuer in den meisten Fällen von den staatlichen Finanzbehörden im Auftrag der Kirchen gegen Kostenersatz eingezogen sowie bei abhängig Beschäftigten als Quellensteuer durch die Arbeitgeber abgeführt. Christliche Feiertage sind aufgrund der Verfassung geschützt; der Religionsunterricht ist in fast allen Bundesländern an staatlichen Schulen ordentliches Lehrfach.
Ein wichtiger Rechtsgrundsatz in Deutschland ist, dass der Staat die Religionsgemeinschaften organisatorisch einbinden, ihnen aber nicht ihre Inhalte vorschreiben kann, weil der Staat die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit (Art. 4, Absatz 1 und 2 Grundgesetz) beachten muss.
Zu kontroversen Debatten kommt es, wenn am Verhältnis von Staat und Kirche bzw. Religion etwas geändert wird. Religiöse Symbole im öffentlichen Raum sind teilweise zulässig, stoßen jedoch gelegentlich auf Ablehnung, wie es der Kruzifixstreit und der Kopftuchstreit zeigen.
Kritik am Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland gibt es seitens säkularer (z. B. Humanistische Union) und liberaler Kreise. Sie fordern eine Trennung von Staat und Religion im laizistischen Sinne und kritisieren, dass die christlichen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften in Deutschland zu viel Einfluss hätten bzw. ihnen von Seiten der Politik zu viel Einfluss eingeräumt werde.
26.01.2018
Seit mehr als einhundert Jahren regelt das Gesetz zum Laizismus die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich. Doch inzwischen ist die Bedeutung des Islam im Land stark gewachsen. Muss das Gesetz angepasst werden?
DOMRADIO.DE: Was glauben Sie: Muss das Gesetz zum Laizismus angepasst werden?
Stefan Lunte (Berater im Generalsekretariat der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft): Ich denke, es muss nichts angepasst werden. Dieses Gesetz hat über hundert Jahre seine Rolle und seine Funktion gut ausgefüllt. Darunter gibt es immer sogenannte Ausführungsdekrete, die sich an konkrete Entwicklungen anpassen. Denn es entwickelt sich in der Tat etwas: Vor fünfzig Jahren haben wir noch nicht über Burkini und Schleier gesprochen. Früher waren es die katholischen Schulen, die katholische Kirche. Es gibt also eine Entwicklung in der Gesellschaft. Aber dieses Gesetz ist eben nicht ein Gesetz der Trennung von Kirche und Gesellschaft, sondern von Religion und Staat. Und das muss meines Erachtens nicht geändert werden.
DOMRADIO.DE: Laut Präsident Macron ist das Gesetz zum Laizismus aus dem Jahr 1905 zu Frankreichs Marke geworden, der französische Säkularismus sei ein starker Zement des Landes. Sehen Sie das auch so?
Lunte: Ich bin zur Hälfte Franzose und zur Hälfte Deutscher, ich habe beide Staatsbürgerschaften und bin deshalb immer ein wenig gespalten. Bei der Neutralität des Staates in religiösen Fragen gibt es keinen großen Unterschied zu der Situation in Deutschland. In Frankreich ist das ausgeprägter, weil es diesen Begriff des Laizismus gibt, der sich nur schwer ins Deutsche übersetzen lässt. Das führt dazu, dass die Franzosen ihre Identität mit diesem Begriff assoziieren. Wo es Schwierigkeiten gibt, ist die Frage, ob es auch eine Neutralität der Gesellschaft geben soll. Das heißt, soll überhaupt keine Äußerung religiöser Gefühle, religiöser Überzeugungen im öffentlichen Raum stattfinden können? Und da scheiden sich natürlich die Geister.
DOMRADIO.DE: Präsident Macron möchte Religion wieder in die Schulen bringen. Die Idee dazu kam nach den Attentaten im November 2015 auf. Experten kritisierten danach, dass junge Menschen in Frankreich zu wenig über Religion wissen. Ist das auch ihr Eindruck?
Lunte: Ja, ganz selbstverständlich. Religionen tauchen im Schulprogramm nur ganz am Rande auf und haben keinen richtigen Platz. Es geht ja auch nicht um einen Glaubensunterricht, sondern darum, die Geschichte der Religionen und ihre Unterschiede zum Thema zu machen. Das ist der Vorschlag des Präsidenten, der auch von anderen Kandidaten geteilt wurde.
DOMRADIO.DE: Er will auch Religionsvertreter wieder aktiv einbeziehen in seine Politik. Was halten Sie davon?
Lunte: Das ist ein bisschen die rechtsrheinische Perspektive: Wenn man von Deutschland aus auf Frankreich und Macron blickt, scheint es so, als würde er alles neu und anders machen wollen – das ist natürlich seiner guten Kommunikation geschuldet. Aber die Einbeziehung der Glaubensgemeinschaften in den politischen Dialog gibt es spätestens seit 2002 wieder in Frankreich, als der damalige Premierminister, Lionel Jospin, regelmäßige Treffen mit den Religionsgemeinschaften wieder eingeführt hat. Und seitdem gab es diese Gesprächskontakte auch auf höchster Ebene immer wieder. Mit der französischen Bischofskonferenz, der Vertretung der Juden in Frankreich, der protestantischen Glaubensgemeinschaft, aber auch mit muslimischen Organisationen.
DOMRADIO.DE: Was würde ein französischer "à la Macron" denn für die katholische Kirche bedeuten?
Lunte: Macron wird häufig mit dem Ausdruck "en même temps" parodiert in Frankreich – "einerseits ... andererseits" – das ist so eine Redewendung, die er oft verwendet. Einerseits ist er für die Einbeziehung der Katholischen Kirche in die Diskussion, andererseits ist er für eine Weiterführung dieser eher laizistischen Haltung. Es ist nicht so ganz klar, was sich dahinter verbirgt. Es ist erst mal ein positives Zugehen – anders als bei seinem Vorgänger – auf die Katholische Kirche. Und darüber kann sich die Kirche sehr freuen.
Das Interview führte Aurelia Rütters.
In Deutschland ist das Verhältnis von Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften und Staat partnerschaftlich. Es gibt Konkordate und andere Staatskirchenverträge. Die weltanschauliche Neutralität des Staates, der sich mit keiner Religionsgemeinschaft identifizieren darf, lässt "gemeinsame Angelegenheiten" (res mixtae) entstehen. So dürfen etwa die Gemeinschaften mit "Körperschaftsstatus" Kirchensteuer (im Falle der jüdischen Gemeinden abweichend Kultussteuer genannt) erheben. In der Praxis wird diese Steuer in den meisten Fällen von den staatlichen Finanzbehörden im Auftrag der Kirchen gegen Kostenersatz eingezogen sowie bei abhängig Beschäftigten als Quellensteuer durch die Arbeitgeber abgeführt. Christliche Feiertage sind aufgrund der Verfassung geschützt; der Religionsunterricht ist in fast allen Bundesländern an staatlichen Schulen ordentliches Lehrfach.
Ein wichtiger Rechtsgrundsatz in Deutschland ist, dass der Staat die Religionsgemeinschaften organisatorisch einbinden, ihnen aber nicht ihre Inhalte vorschreiben kann, weil der Staat die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit (Art. 4, Absatz 1 und 2 Grundgesetz) beachten muss.
Zu kontroversen Debatten kommt es, wenn am Verhältnis von Staat und Kirche bzw. Religion etwas geändert wird. Religiöse Symbole im öffentlichen Raum sind teilweise zulässig, stoßen jedoch gelegentlich auf Ablehnung, wie es der Kruzifixstreit und der Kopftuchstreit zeigen.
Kritik am Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland gibt es seitens säkularer (z. B. Humanistische Union) und liberaler Kreise. Sie fordern eine Trennung von Staat und Religion im laizistischen Sinne und kritisieren, dass die christlichen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften in Deutschland zu viel Einfluss hätten bzw. ihnen von Seiten der Politik zu viel Einfluss eingeräumt werde.