Rufe nach mehr Einsatz für Einsame

Großbritannien als Vorbild

In Großbritannien gibt es seit Neuem ein Regierungsposten für Einsamkeit. Neben dem erhöhten Gesundheitsrikiso enstehe auch politische Frust, so der Diakoniepräsident. Vor allem stellt sich die Frage nach einem zukünftigen Zusammenleben.

 (DR)

Der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, fordert mehr politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Einsamkeit. "Wir brauchen ein Bündnis aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen, wie Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen", sagte Lilie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Eine politische Debatte zum Thema sei auch in Deutschland dringend notwendig, erklärte Lilie mit Blick auf Großbritannien.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass die Staatssekretärin für Sport und Zivilgesellschaft, Tracey Crouch, sich in der Regierung mit dem Thema Einsamkeit befassen solle. Wie die britische Tageszeitung "The Guardian" berichtete, will May damit ein Problem angehen, das für "viel zu viele Menschen die traurige Realität des modernen Lebens" sei. Laut einer Umfrage des Britischen Roten Kreuzes fühlen sich mehr als neun Millionen Menschen im Land einsam.

"Querschnittsproblem"

"Einsamkeit ist ein Querschnittsproblem in unserer Gesellschaft, über das zu wenig geredet wird", so Lilie. Sowohl in Städten als auch auf dem Land wachse die Zahl von Menschen, die sich allein fühlten. "Einsame Leute wieder in die Gesellschaft zu holen, ist eine Aufgabe, die man nicht einfach kommerziellen Anbietern wie Facebook oder Partnerschaftsbörsen überlassen darf", sagte der Diakonie-Präsident.

"Die britische Initiative ist vorbildlich», kommentierte Lilie den Vorstoß der britischen Regierung. Auch in Deutschland müsse Politik mehr tun, um Einsamkeit vorzubeugen. "Armut und Vereinsamung hängen ganz klar zusammen", sagte der Diakonie-Präsident. So habe in Berlin mehr als die Hälfte der Bewohner Angst, ihre Miete nicht mehr zahlen zu können und deswegen ihre vertraute Umgebung verlassen zu müssen.

Politische Frust und Frage nach dem Zusammenleben

"Da finden Verdrängungswettbewerbe statt, bei denen wir nicht einfach zugucken können." Einsamkeit könne auch in politischem Frust resultieren, erklärte Lilie. "Die Leute melden sich dann auch politisch, indem sie Parteien wählen, von denen man sich nicht wünscht, dass sie größer werden", sagte er. Neben der Politik sieht er auch die Zivilgesellschaft in der Pflicht. "Letztendlich geht es um die Frage, welches Land wollen wir sein und wie wollen wir zusammen leben", sagte Lilie.

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und der CDU-Politiker Marcus Weinberg forderten in der "Bild"-Zeitung (Freitag) mehr Einsatz im Kampf gegen Einsamkeit. Die Einsamkeit bei über 60-Jährigen erhöhe die Sterblichkeit "so sehr wie starkes Rauchen", sagte Lauterbach. Es müsse für das Thema einen Verantwortlichen geben, "bevorzugt im Gesundheitsministerium".

Weinberg fordert in der Zeitung eine Enttabuisierung, "damit einsame Menschen eine Lobby haben und Einsamkeit nicht in einer Schmuddelecke bleibt".


Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz (epd)
Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd