Jesuitenpater zu Söders Zehn-Punkte-Plan für Bayern

"Eine vertane Chance"

"Wir kümmern uns" – unter dieser Überschrift hat Bayerns designierter CSU-Ministerpräsident Markus Söder einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Jesuitenpater Johannes Siebner kritisiert darin eine "Instrumentalisierung von Flüchtlingen".

Bayern zukünftiger Ministerpräsident Markus Söder / © Nicolas Armer (dpa)
Bayern zukünftiger Ministerpräsident Markus Söder / © Nicolas Armer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mit der Überschrift "Wir kümmern uns" geht Söder ausdrücklich auf den Eindruck bestimmter Wählergruppen ein, für Flüchtlinge sei Geld da, für Einheimische nicht. Spielt Söder auf diese Weise nicht deutsche Bürger und Flüchtlinge gegeneinander aus? 

Pater Johannes Siebner (Provinzial der Jesuiten in Deutschland): Der Vorwurf ist schnell gemacht, aber ich nehme es tatsächlich auch so wahr. Ich will ihm gar nicht unrecht tun, denn das ist doch ein relativ dynamischer und interessanter Entwurf, den er da vorlegt. Söder handelt das Thema Flüchtlinge und Sicherheit als erstes ab, auf eine Weise, die ich nicht angemessen finde. Es ist tatsächlich eine Instrumentalisierung von Flüchtlingen, beziehungsweise die Ankündigung eines Löschversuches gegen ein Feuer, was die CSU selber angezündet hat in den letzten Wochen und Monaten. 

DOMRADIO.DE: Söder will zum Beispiel ein neues Landesamt schaffen mit dem Namen "Landesamt für Asyl und Abschiebung" - ausdrücklich, um Abschiebung voranzutreiben. Richtig christlich klingt das nicht.

Siebner: Das ist immer so eine Sache: Was klingt christlich, was nicht? Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt sinnvoll ist, noch eine bürokratische Behörde zu schaffen. Das sollen Fachpolitiker entscheiden. Mich stört ein ganz entscheidendes Wort: "Effizienz" im Umgang mit Flüchtlingen. Das kann man richtig verstehen, aber da wird mit den Ängsten der Bürger gespielt. Die werden instrumentalisiert. Von Effizienz zu sprechen, ist den Flüchtlingen und ihren Schicksalen gegenüber nicht angemessen. "Schnelle, effiziente Abschiebung - das ist das Ziel" - so lese ich das in diesem Zehn-Punkte-Plan.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass Ankündigungen wie diese ein geeigneter Weg sind, der AfD das Wasser abzugraben, was ein Ansinnen von Markus Söder sein könnte? 

Siebner: Das weiß ich nicht, will ich ihm auch nicht unterstellen. Er nimmt ja tatsächlich ein Bedürfnis oder eine Unsicherheit auf, die da ist. Wenn ich Sicherheit an die erste Stelle setze - und das tut er in diesem Zehn-Punkte-Plan - sendet das eine doppelte Botschaft - so lese ich das.

Es suggeriert: "Wir leben in einem unsicheren Land." Das halte ich erstmal für nicht richtig. Das zweite ist: "Mehr Sicherheit ist machbar. Wenn ihr mir vertraut, gebe ich euch das, woran es euch mangelt. Und zwar durch zügige und effiziente Abschiebung, durch mehr Richter, durch 1.000 Polizisten und durch 500 Grenzpolizisten." Diese Botschaft ist meiner Meinung nach politisch nicht verantwortbar.

DOMRADIO.DE: Zwischen der CSU und der katholischen Kirche gibt es ja schon seit längerem eine Art Entfremdungsprozess in Sachen Flüchtlingspolitik. Fürchten Sie jetzt mit Blick auf Söders Zehn-Punkte-Plan, dass diese Entfremdung noch weiter zunehmen könnte? 

Siebner: Nein, nicht zwangsläufig. Die CSU muss tatsächlich jetzt das Getöse der letzten Wochen und Monate hinter sich lassen. Das versucht Herr Söder ja jetzt landesväterlich auch zu tun. Aber das, was in den letzten Wochen und Monaten gesagt wurde - diese Verrohung der Sprache, die Instrumentalisierung von Flüchtlingen -, hat eine große Wunde geschlagen.

Und: Ja, das hat vielleicht auch das Verhältnis der Kirchen und der engagierten Christen zur CSU verändert. Es sind ja unzählig viele evangelische und katholische Christen, die sich in den Gemeinden, in den Unterkünften, in den Sprachkursen, in den Integrationsprojekten engagieren. Und die kriegen eigentlich subkutan die Botschaft: Euer Engagement ist ok, das ist Gutmenschentum. Aber eigentlich geht es um schnelle und effiziente Abschiebung. 

DOMRADIO.DE: Andererseits tritt Söder als Kümmerer auf, also als jemand, der die Sorgen der Menschen ernst nimmt. Nehmen Sie ihm das ab?

Siebner: Das ist jetzt strategisch, glaube ich, nicht ungeschickt. Er greift ja in seinem Plan all die Bedürfnisse auf, die real sind - Familie, Kinder, ÖPNV, Wohungsbau und sagt: Ich kümmere mich drum. Ob das mit dem Wohnungsbau klappt, kann ich nicht beurteilen. Im Moment finden Sie keinen einzigen Handwerker in ganz Bayern. Ich weiß gar nicht, wie er das machen will.

Was mich sehr freut - und das hat was mit Kümmern im guten Sinne zu tun - ist der Punkt zum Thema Pflege und Verdoppelung der Hospiz-Plätze. Das finde ich richtig gut und richtig wichtig. Es hat aber einen Beigeschmack: Wie kann es sein, dass - ich spitze jetzt zu - die bayerischen Pflegebedürftigen und die bayerischen Sterbenden unter dem Stichwort "Respekt und Würde" behandelt werden. Und die, die vor Krieg, vor Hunger, vor Not, vor Verfolgung fliehen, unter "Sicherheit" abgehandelt werden. Da ist eine Schieflage.

Der Plan wäre jetzt eine Chance gewesen, dieses unsägliche Gertöse der letzten Monate zu beenden, wenn er gesagt: "Unter Respekt und Würde reden wir auch über die Flüchtenden und über die Fluchtursachen, die etwas mit unserem Lebenssitl zu tun haben. Natürlich, da sind auch Probleme. Da müssen wir über Zahlen reden, über Unterbringung, über die Integration. Das muss alles besprochen werden." Aber so ist es eine verpasste Chance und ein Gegeneinander ausspielen.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 


Johannes Siebner / © Harald Oppitz (KNA)
Johannes Siebner / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR