Pfarrer aus Barcelona über Separatisten-Sieg in Katalonien

"Fronten durch die ganze Gesellschaft"

Nach der Parlamentsneuwahl in Katalonien ist kein Ende der seit Monaten andauernden Krise in Sicht. Bei der Neuwahl haben die Separatisten ihre Mehrheit verteidigen können. Die Kirche ist sich in der Bewertung des Ergebnisses uneins.

Eine katalanische (l) und eine spanische Fahne / © Jordi Boixareu (dpa)
Eine katalanische (l) und eine spanische Fahne / © Jordi Boixareu ( dpa )

DOMRADIO.de: Ein Sieg für die Separatisten. Hätten Sie damit gerechnet?

Pfarrer Ottmar Breitenhuber (Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Barcelona): Nein, ich habe fast nicht mehr damit gerechnet, vor allem weil in den letzten Wochen die Stimmen, die für die Einheit Spaniens sind, stärker geworden sind. Die waren ja fast nicht hörbar bis zum 1. Oktober und erst danach, mit dem Referendum und der daraufhin einsetzenden Bewegung und den entsprechenden Demonstrationen, hat man diese Stimmen wahrgenommen. Es wurde dann umso heißer diskutiert und man hat gemerkt: Es gibt viele, die für eine Einheit sind und die nicht, so wie etwa Puigdemont, eine Unabhängigkeit wollen.

DOMRADIO.de: Wie wird dieses Ergebnis heute in Barcelona aufgenommen? Feiern die Separatisten ihren Sieg?

Breitenhuber: Auf der Straße habe ich keine Veränderung gemerkt. Gestern war natürlich auf der Plaça de Catalunya abends alles voll mit Kameras, die auf den Ausgang der Wahl gewartet haben. Da hat man schon viele gesehen, die dort gefeiert haben. Heute ist es eigentlich relativ ruhig. Es ist der normale Weihnachtsstress, wie in den letzten Wochen auch schon. Jetzt setzen ja auch die großen Touristenströme ein, die über die Feiertage hier sind.

DOMRADIO.de: Das Ergebnis ist knapp und zeigt auch, dass die Gesellschaft in Katalonien tief gespalten ist. Wie verhärtet sind die Fronten denn?

Breitenhuber: Man kann wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie sich immer weiter verhärtet haben. Die Fronten gehen durch die ganze Gesellschaft, durch alle Gemeinschaften und Gruppen. Bis hinein in unsere Gemeinde gibt’s Gruppen, die eingefleischte Katalanen sind und auch Leute, die strikt gegen die Unabhängigkeit sind. Es wird heiß diskutiert. Wir haben es jetzt noch nicht als Konflikt in der Gemeinde erlebt, sondern es wird halt engagiert darüber diskutiert. Aber ich weiß und höre von vielen, dass das durch Familien geht, dass das durch Einrichtungen geht – Firmen oder Belegschaften – und dass es schon Beziehungen zerstört.

DOMRADIO.de: Und wie steht die Kirche dazu? Gibt es da eine einheitliche Meinung zur möglichen Unabhängigkeit Kataloniens - oder ist die Kirche auch gespalten?

Breitenhuber: Die Kirche und die Bischöfe halten sich moderat zurück und versuchen zu beschwichtigen. Aber man weiß, es gibt Äußerungen, die zeigen, dass es dort ebenso zwei Lager gibt. Ein junger Bischof von Solsona hat ganz offen für die Unabhängigkeit plädiert. Der Kardinal von Barcelona hält sich da eher zurück. Er ist auch kein Katalane in dem Sinne. Er kommt aus der Nachbarregion. So gibt es auch in der Kirche ganz unterschiedliche Lager, auch unter den Priestern und Pfarrern. Freunde, Kollegen von mir, also katalanische Priester, die sind zum Teil wirklich pro Unabhängigkeit. Andere sind für die Einheit Spaniens.

DOMRADIO.de: Wie kann es denn nun gelingen, dass die so zerstrittene Gesellschaft wieder zueinander findet?

Breitenhuber: Schwierig, ich weiß nicht, wie es weiter geht. Es ist auch die Stimmung, dass keiner recht weiß, wie es weiter gehen soll. Aber es hat sich gezeigt, dass es nicht anders weiter gehen kann, als einen Weg zu finden, endlich miteinander ins Gespräch zu kommen. Und das muss natürlich von oben ausgehen. Das muss von Madrid, von Rajoy, ausgehen. Auch Puigdemont und andere Separatisten müssen dazu bereit sein, von diesem extremen Ziel einer Unabhängigkeit abzurücken und zu schauen, wo finden wir einen Weg, dass unsere Belange, unsere Anliegen auch ernst genommen werden. Es geht nicht ohne Kompromisse, man wird keinen gemeinsamen Weg finden oder auch einen separaten Weg, wenn man nicht irgendwie Kompromisse eingeht.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR