Polens neuer Ministerpräsident träumt davon, Europa zu rechristianisieren

Der Neue und die Kirche

In seiner Antrittsrede erwähnt der neue polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Kirche mit keinem Wort. Die Bischöfe halten sich ihrerseits auch zurück und schicken dem PiS-Politiker kein Glückwunschschreiben.

Autor/in:
Oliver Hinz
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach seiner ersten Kabinettssitzung / © Pawel Supernak (dpa)
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach seiner ersten Kabinettssitzung / © Pawel Supernak ( dpa )

Polens katholische Bischöfe kämpfen besonders leidenschaftlich gegen Abtreibung und für die Sonntagsruhe. Eine Vereinnahmung durch die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist ihnen jedoch ein Graus. Die parteipolitische Neutralität ist der Spitze der Bischofskonferenz jetzt offenkundig so wichtig, dass sie überraschend kein Glückwunschschreiben an den vorige Woche vereidigten neuen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki veröffentlichte. Eine offizielle Begründung hierfür gab Episkopatssprecher Pawel Rytel-Andrianik auf Anfrage allerdings nicht. Zum Amtsantritt der Regierungschefin Beata Szydlo von der PiS im November 2015 hatte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, noch gratuliert und zu einer Politik des Ausgleichs aufgerufen.

Kirche und Regierung eng verbunden

Viele Polen sind indes überzeugt, dass Gadecki ebenso wie die meisten Bischöfe der PiS sehr wohlgesonnen ist. Auffällig ist zum Beispiel, dass die Kirche zur aktuellen Justizreform schweigt, während Polens größte Richtervereinigung und die Opposition sowie die EU und Experten des Europarates Polens Rechtsstaat in "ernster Gefahr" sehen. Denn die nationalkonservative Regierungspartei übernahm mit Hilfe von weitreichenden Gesetzesänderungen die Regie bei den Gerichten. Ende Juli hatte Gadecki allerdings das Veto von Staatspräsident Andrzej Duda gegen zwei Gesetze zum Umbau des Obersten Gerichtshofs und des für die Einstellung von Richtern zuständigen Landesjustizrats gelobt. Inzwischen beschloss das Parlament beide Justizreformen trotz internationaler Proteste mit nur leichten Veränderungen.

Schon im Wahlkampf 2015 standen viele Bischöfe relativ klar auf Seiten der PiS und griffen die damalige rechtsliberale Regierung der Bürgerplattform scharf an, unter anderem wegen eines staatlichen Finanzierungsprogramms für künstliche Befruchtungen von Frauen, die ihren Kinderwunsch anders nicht erfüllen konnten. Nach dem PiS-Sieg bei der Parlamentswahl freute sich Gadecki: "Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es noch nie solch eine Einheit von Kirche und Staat." In Richtung der Opposition sagte der Erzbischof: "Diejenigen, die von Demokratie posaunen, sind manchmal am wenigsten demokratisch."

Morawiecki privat wenig in der Kirche verwurzelt

Angesichts der scharfen politischen Diskussionen im Land rief der Bischofskonferenz-Vorsitzende nun allgemein zu gegenseitigem Respekt auf. Menschen mit anderer Meinung würden in der öffentlichen Debatte missachtet, kritisierte er. Man müsse "Gewaltakte gegen politische Widersacher, andere Konfessionen, Religionen und Völker" eindeutig zurückweisen. Der neue Premier Morawiecki ist privat weniger stark in der Kirche verwurzelt als seine Vorgängerin, deren ältester Sohn dieses Jahr zum Priester geweiht wurde. Zwar betonte er in einem Interview mit dem katholischen TV-Sender Trwam, dass er Europa "rechristianisieren" wolle. In seiner 70-minütigen Parlamentsrede über sein Regierungsprogramm aber nahm er das Wort Kirche kein einziges Mal in den Mund. Er mahnte allerdings ein Ende des "tödlichen Streits" über die polnische Politik an und berief sich dabei auf die Aussage von Johannes Paul II. (1978-2005), wonach Freiheit kein Geschenk sei, sondern eine Aufgabe.

Der neue Regierungschef pries die USA als wichtigsten Verbündeten Polens und erwähnte Deutschland nur im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Einige Tage später bekräftige er in einem Radiointerview, Warschau stünden Entschädigungszahlungen aus Berlin für die damaligen Kriegsverbrechen zu. In allen Politikfeldern will er den Kurs seiner Vorgängerin Szydlo fortsetzen, die nun seine Stellvertreterin ohne eigenes Ministerium ist. Die Frauen umwarb er besonders, indem er eine "gläserne Decke" verurteilte, die Frauen vor Spitzenjobs in den Chefetagen ausschließe.

Warum PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski Szydlo zum Rücktritt bewegte, ist unklar. Umfragen zufolge vertrauen der volksnah wirkenden Politikerin sehr viele Polen. Das Massenblatt "Fakt" machte denn auch mit der Schlagzeile "Der Vorsitzende demütigt Szydlo" auf. Drei Tage später fand das Blatt aber auch lobende Worte für Morawiecki - auf der Titelseite.


Quelle:
KNA