Katholisches Büro Berlin unterstützt Forderung nach Zuwanderungsgesetz

"Gordischen Knoten durchschlagen"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Tag der Einheit klare Worte gesprochen und ein Zuwanderungsgesetz gefordert. Für den Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, rennt er mit seinem Vorschlag offene Türen ein.

Warten auf das Stellen eines Asylantrags / © arifoto UG (dpa)
Warten auf das Stellen eines Asylantrags / © arifoto UG ( dpa )

domradio.de: Bundespräsident Steinmeier fordert eine gesetzlich geregelte Zuwanderung. Wie stehen Sie dazu?

Prälat Dr. Karl Jüsten (Leiter des Katholischen Büros in Berlin): Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, hat bereits letztes Jahr auf dem Michaelsempfang ein solches Gesetz gefordert, sodass wir uns den Forderungen des Bundespräsidenten nur anschließen können. Er hat vollkommen Recht, dass wir uns auf der einen Seite über die Zuwanderung Gedanken machen wollen, sollen und wohl auch müssen, die wir aus ökonomischen Gründen wegen des Arbeitskräftemangels in manchen Bereichen brauchen. Und auf der anderen Seite gibt es auch diejenigen, die aufgrund des Asylrechts die Möglichkeit haben, bei uns aufgenommen zu werden. Und dann gibt es die Flüchtlinge, die aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention (Anm.d.Red.: Zwischenstaatliches Abkommen zum Schutz von Personen im Falle eines Krieges oder bewaffneten Konflikts) zu uns kommen. Auch sie müssen bei uns einen Zufluchtsort bekommen.

domradio.de: Steinmeier differenziert zwischen politisch Verfolgten und sogenannten Armutsflüchtlingen. Können Sie ihm da folgen?

Jüsten: Mit dem Begriff Armutsflüchtlingen habe ich meine Schwierigkeiten, denn es gibt Menschen, die arm sind und Menschen, die noch viel, viel ärmer sind. Diejenigen, die sich auf den Weg machen, sind nicht unbedingt die Ärmsten aller Armen, sondern sind diejenigen, die sich so eine Flucht überhaupt leisten können. Gleichwohl muss man natürlich anerkennen, dass Menschen aus wirtschaftlichen Nöten sich auf den Weg machen und zu uns kommen wollen. Und da denke ich, und das haben wir als Kirche auch immer gesagt, dass nicht jeder persönliche Grund, warum Menschen zu uns kommen, ein Grund sein muss, weshalb wir diese Menschen in unserem Land aufnehmen. Man kann darüber reden, dass man ihnen einen legalen Aufenthaltsstatus ermöglicht.

domradio.de: Deshalb brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, sagen auch Die Grünen und die FDP. Die CDU ziert sich eher. Wie wird das bei den Koalitionsverhandlungen ausgehen?

Jüsten: Es sind ja jetzt schon umfängliche Regelungen für die legale Zuwanderung in unserem Land getroffen worden. Schon in der Regierung Schröder und in der vergangenen Legislaturperiode ist da einiges geschehen. Es ist nur noch nicht in einem einheitlichen Gesetz geregelt. Und die Union, die ja schon etwas länger in der Regierung ist, weiß ja auch, dass das nicht in einem einzigen Federstrich zu machen ist, weil ein solches Gesetz recht komplex ist.

Ich glaube aber nicht, dass daran die Koalitionsvereinbarung scheitern wird. Das ist vielleicht sogar auch ein Weg, aus dem Dilemma durch die Forderungen der CSU nach einer Obergrenze und der Zuwanderung, die gesteuert werden muss, herauszukommen. Vielleicht wäre da ein Zuwanderungsgesetz so etwas wie das Durchschlagen eines Gordischen Knotens.

domradio.de: Die CSU beharrt zurzeit auf einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen. Was sagen Sie dazu als Vertreter der Katholischen Kirche?

Jüsten: Wie will man denn eine solche Grenze setzen, wenn aus humanitären Gründen eine solche Grenze nicht geschaffen werden kann? Asyl ist ein Grundrecht, das man nicht kontingentieren kann. Das weiß auch Herr Seehofer. Ich glaube, es handelt sich hier vornehmlich um eine Symboldebatte, die von der CSU gewünscht ist, weil man an einer bestimmten Seite oder Front eine klare Kante zeigen möchte. Aber ein Problem löst man mit einer solchen Obergrenzendebatte nicht. 

domradio.de: Das nächste Problem ist der Familiennachzug. Da sind sehr unterschiedliche Zahlen auf dem Markt. Welche Chancen sehen Sie da für eine menschenwürdige politische Lösung?

Jüsten: Wir sind immer dafür eingetreten, dass es einen Familiennachzug gibt. Wir können ja nicht in unserem Land dafür eintreten, alles zu tun, damit Familien zusammenbleiben und gestärkt werden, aber dann akzeptieren, wenn Menschen aus humanitären Gründen auf der Flucht sind und ihre Familien zerrissen werden. Was ist das für eine Situation? Da hat jemand gerade mühsam die Flucht nach Europa geschafft, aber die Familie muss im Elend zurückbleiben. Das kann keine humanitäre Politik sein.

Deshalb treten wir beim Familiennachzug für eine Regelung ein, die möglichst die Familien zusammenlässt. Die Zahlen sind auch nicht so hoch, wie zum Teil kolportiert wird. Auch hier wird meines Erachtens viel Symbolpolitik gemacht. Aber wie der Bundespräsident gestern zu Recht sagte, wir müssen realistisch auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik schauen. Und zu den Realitäten gehören auch, dass die Zahlen rund um die Familienzusammenführung nicht groß sind, und deshalb muss man aus CSU-Sicht hier nicht eine unnötige Wand aufziehen.

Das Interview führte Heike Sicconi


Karl Jüsten / © Harald Oppitz (KNA)
Karl Jüsten / © Harald Oppitz ( KNA )

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Empfang / © Boris Roessler (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Empfang / © Boris Roessler ( dpa )
Quelle:
DR