Bischöfe mahnen zu Frieden und Dialog

Katalanischer Wunsch nach Unabhängigkeit

Nach dem umstrittenen Referendum in Katalonien mit dem Votum pro Unabhängigkeit haben die katholischen Bischöfe zu Mäßigung und Dialog aufgerufen. Man müsse einen "friedlichen und demokratischen Ausweg" aus der Situation finden.

Referendum in Katalonien / © Nicolas Carvalho Ochoa (dpa)
Referendum in Katalonien / © Nicolas Carvalho Ochoa ( dpa )

Das erklärte Kardinal Juan Jose Omella in Barcelona in einer ersten Stellungnahme. Weiter beklagte er in einer Mitteilung am Sonntagabend die Gewalt während der von Spaniens Regierung als illegal bezeichneten Abstimmung. Omella rief zum Gebet auf.  

Mit den gleichen Worten mahnte der Vorsitzende der katalanischen Bischöfe, Erzbischof Jaume Pujol Balcells von Tarragona, am Sonntagabend per Twitter, Gewalt und Konfrontation zu stoppen. Die Spanische Bischofskonferenz hatte im Vorfeld des Referendums aufgerufen, die spanische Verfassung zu respektieren und von "unumkehrbaren und folgenschweren" Handlungen abzusehen.

Bischof beteiligt sich an Abstimmung

Dennoch beteiligten sich auch Katholiken und katholische Gemeinden an dem Referendum. Auch der Bischof von Solsona, Xavier Novell, gab seine Stimme ab, allerdings im 15 Kilometer entfernten Naves, weil das Wahllokal in seiner eigenen Stadt von der Polizei geschlossen worden war.

Doch wie geht es nun nach dem Referendum und der deutlichen Mehrheit für eine Abspaltung Kataloniens von Spanien weiter? Nach dem von Polizeigewalt überschatteten und umstrittenen Referendum über die Abspaltung von Spanien ist in Katalonien die Ausrufung eines unabhängigen Staates deutlich näher gerückt. "Wir haben das Recht gewonnen, einen unabhängigen Staat zu haben", sagte Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont.

Für die Unabhängigkeit hätten sich gut 90 Prozent der Wähler ausgesprochen, teilte der Sprecher der separatistischen Regionalregierung, Jordi Turull, in der Nacht zum Montag mit. An der Befragung hätten gut 2,26 Millionen der insgesamt 5,3 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen, sagte er. Beim gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen Wähler wurden am Sonntag über 800 Menschen verletzt.

Regierung spricht Referendum Gültigkeit ab

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach dem vom Verfassungsgericht in Madrid untersagten Referendum am Sonntagabend jede Gültigkeit ab. Er nannte die Abstimmung eine Inszenierung. "Es hat in Katalonien kein Referendum gegeben", so der konservative Politiker.

Nach dem vom Regionalparlament in Barcelona verabschiedeten "Abspaltungsgesetz" könnte die Regionalregierung derweil schon innerhalb der nächsten 48 Stunden die Unabhängigkeit ausrufen. Vor Bekanntgabe der offiziellen Resultate hatte der regionale Regierungschef Puigdemont erklärt, er werde die Ergebnisse des Referendums dem katalanischen Parlament zuleiten. 

"Wir haben das Recht gewonnen, einen unabhängigen Staat zu haben", sagte er. Auf dem Platz Placa de Catalunya im Zentrum Barcelonas brachen Zehntausende von Menschen bei diesen Worten in Jubel aus. Sie sangen auch die katalanische Nationalhymne "Els Segadors".

Verletzte im Rahmen der Abstimmung

Das Verfassungsgericht hatte die Abstimmung für illegal erklärt, da das spanische Grundgesetz keine solche Unabhängigkeits-Referenden vorsieht. Barcelona setzte sich jedoch über das Urteil hinweg und rief die Bürger auch gegen den Willen der Zentralregierung zum Votum auf. Madrid entsandte daraufhin tausende Polizisten, um die Menschen am abstimmen zu hindern. Rund 850 Bürger wurden verletzt, nachdem Polizisten Schlagstöcke und Gummigeschosse eingesetzt hatten. Auch 33 Beamte trugen Verletzungen davon.

Die Frage auf den Stimmzetteln lautete: "Wollen Sie, dass Katalonien zu einem unabhängigen Staat in Form einer Republik wird?" Da die Gegner einer Abspaltung überwiegend nicht zur Wahl gehen wollten, war eine klare Mehrheit für die Loslösung erwartet worden. Bei einer Abspaltung der von ausländischen Touristen meistbesuchten Region des Landes würde das EU-Land auf einen Schlag knapp 20 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verlieren.

Viele Medienbeobachter und Politiker machen unterdessen sowohl Rajoy als auch Puigdemont für die explosive Lage verantwortlich. Beide hätten auf Konfrontation statt auf Dialog gesetzt, hieß es häufig. Die stärkste Oppositionskraft in Madrid, die sozialistische Partei (PSOE), sprach von "Schande und Traurigkeit". PSOE-Chef Pedro Sánchez rief in erster Linie Rajoy zu Verhandlungen auf. "Er muss verhandeln, verhandeln und nochmal verhandeln und ein Abkommen (mit Katalonien) erzielen. Das ist seine Verantwortung." 

Sorge und Unverständnis im Ausland

Nach der Chaos-Abstimmung äußerten viele Politiker auch im Ausland Sorge und Unverständnis. "Ich will mich nicht in innenpolitische Angelegenheiten in Spanien einmischen, aber ich verurteile scharf, was heute in Katalonien passiert ist", schrieb der Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, auf Facebook. Es sei "höchste Zeit für eine Deeskalation." Die Grünen im Europa-Parlament verlangten, dass sich Brüssel in den Konflikt einschalte. Auch Puigdemont forderte die EU auf, nicht länger wegzuschauen.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte Madrid zum Dialog auf. "Der massive Polizeieinsatz gegen die Menschen, die wählen wollen, ist ein Fehler. Dieses Vorgehen wird das politische Problem nur verschärfen", sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. Der Ball liege nun in Rajoys Feld. Özdemir sprach sich zudem dafür aus, dass die EU-Kommission diesen Gesprächsprozess unterstützt.

Nach Einschätzung von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) und UN-Menschenrechtshochkommissar Said Raad al-Hussein sind Gespräche beider Seiten "dringend" notwendig. Gabriel betonte am Montag in Berlin: "Die Bilder, die uns gestern aus Spanien erreicht haben, zeigen wie wichtig es ist, die Eskalationsspirale jetzt zu unterbrechen." Er rufe daher "dringend zu Gesprächen auf - Gespräche zwischen beiden Seiten, um zu einer politisch tragfähigen Lösung zu kommen".

Gabriel fügte hinzu: "Ich bin der Überzeugung, dass Spanien innere Spaltungen nur überwinden kann, wenn sich beide Seiten auf einen gemeinsamen Weg einigen. Das liegt im besten Interesse Spaniens und seiner Bürger." UN-Menschenrechtshochkommissar al-Hussein zeigte sich "sehr beunruhigt" über die Gewalt in Katalonien vom Sonntag. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die aktuelle Situation durch einen politischen Dialog gelöst werden sollte, mit vollem Respekt für demokratische Freiheiten."

Dutzende Razzien im Vorfeld des Referendums

Trotz des harten Polizeieinsatzes wurde in Katalonien vielerorts abgestimmt. Die Regionalregierung teilte mit, 96 Prozent der 3215 Wahllokale hätten am Sonntag normal funktioniert. Auch Fußballstar Gerard Piqué vom Topclub FC Barcelona gab seine Stimme ab. "Ich habe abgestimmt. Gemeinsam sind wir beim Schutz der Demokratie nicht zu stoppen", twitterte der 30 Jahre alte Katalane, der mit Pop-Queen Shakira zwei Kinder hat.

Seit Wochen hatte Rajoy immer wieder versucht, die Befragung zu verhindern. Bei Dutzenden von Razzien wurden mindestens zwölf Millionen Wahlzettel sowie Millionen von Wahlplakaten und Broschüren beschlagnahmt. Viele Webseiten wurden gesperrt. Mehr als 4000 Angehörige der Guardia Civil und der Nationalpolizei wurden nach Katalonien entsandt. 


Quelle:
KNA , dpa
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