ZdK-Präsident Thomas Sternberg zur Bundestagswahl 2017

"AfD bei Religionsfragen völlig daneben"

Die Bundestagswahl 2017 ist mitten im Gange: Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK) hofft, dass Deutschland europa- und weltpolitisch so offen bleibt wie bislang.

Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

domradio.de: Herr Sternberg, was ist denn Ihre Motivation, wählen zu gehen?

Prof. Dr. Thomas Sternberg (Präsident des ZDK): Wir gehen gleich ins Wahllokal. Es gibt kaum etwas Wichtigeres, als diese Möglichkeit wahrzunehmen. In einer Demokratie kann man wirklich mit seiner Stimme dazu beitragen, wer in den nächsten Jahren die Regierung bilden soll. Das ist von einer höheren Ernsthaftigkeit, als wenn man bei irgendwelchen Umfragen mitmacht. Hier kommt es wirklich auf jede Stimme an, hier wird wirklich gezählt.

domradio.de: Parteien vertreten auch immer Interessensgruppen. Wenn man sich nun mal die Aussagen der Parteien zum Thema Kirchen und Religion ansieht, welche vertritt die Interessen von Menschen, denen die Kirche wichtig ist und welche stehen Kirche kritisch gegenüber ?

Sternberg: Sie können natürlich nicht erwarten, dass ich hier eine Wahlempfehlung für eine Partei abgebe. Aber man kann eins sagen: Die wirklich in Religionsfragen völlig daneben liegende Partei ist die rechte Sammelbewegung AfD. Wenn da ein Landesvorsitzender direkt zum Austritt aus der Kirche aufruft, wenn sie sich dafür einsetzen, den Islam nicht als Religion anzuerkennen, wenn sie islamische Lehrstühle wieder abschaffen oder den Religionsunterricht abschaffen wollen und so weiter.

Das sind so abenteuerliche Dinge, da muss man als Christ gar nicht mehr darüber reden. Ich gehe mal davon aus, dass unter den Hörern des Domradios sowieso kaum Wähler dieser Gruppierung dabei sind, denn wer sich regelmäßig und richtig informiert, der weiß, dass man eine Gruppierung, die zu Hass und Rassismus aufruft, einfach nicht wählen kann.

domradio.de: Viele Politiker und Kirchenoberen betonen immer wieder, dass es den Deutschen gut geht - aus der Bevölkerung gibt es aber Klagen, dass es ihnen gar nicht so gut gehe und auch wütende Empörung darüber, dass es bei sozialen Zuwendungen und in der Bezahlung der Arbeit ungerecht zugehe. Oft wird das als ein Grund der Protestwahl-Haltung genannt. Wie könnte man denn da ins Gespräch kommen?

Sternberg: Das geht nur über seriöse Information und Debatte. Da sind alle aufgerufen, mitzuwirken. Ich habe den Eindruck, wir kommen bei vielen politischen Themen in so eine Art Entertainment-Vorstellung. Als könnte man alles mal so eben in 30 Sekunden oder einer Minute abhandeln, als wäre es ausreichend, wenn man möglichst kontroverse Positionen in eine Talkshow zusammensetzt und ein bisschen darüber plaudert. Das sind alles Themen, die eine hohe Wichtigkeit haben. Und wir brauchen dringend seriöse Beschäftigung und Befassung. Dahingehend sind wir alle aufgerufen; ob das nun ein Verband wie der ZdK ist oder Sie als Domradio oder Medien im Allgemeinen. Wir sind alle dazu aufgerufen, die Ernsthaftigkeit von Politik weiter zu betonen.

domradio.de: Wie haben Sie den Wahlkampf erlebt? War da vieles unseriös?

Sternberg: Die einhellige Meinung war, dass es ein einschläfernder Wahlkampf gewesen sei. Ich weiß nicht, ob es eine richtige Einschätzung ist. Mir ist ein Wahlkampf lieber, der zu einzelnen Positionen Differenzen benennt, aber in grundsätzlichen Linien übereinstimmt. Das ist mir sehr viel lieber als ein Wahlkampf, bei dem man so holzt, sodass der Eindruck entsteht, sich jetzt zwischen schwarz und weiß entscheiden zu müssen. Nein, es ist nicht schwarz und weiß, es sind Differenzierungen in einem demokratischen Spektrum. Das halte ich auch für ganz richtig. In diesem demokratischen Spektrum soll sich der Wähler entscheiden und seine Position finden.  

domradio.de: Haben die großen Parteien da Fehler gemacht im Vorfeld?

Sternberg: Ich glaube nicht, dass da wirklich Fehler gemacht worden sind. Das Problem ist, dass große Koalitionen die Ränder stärken. Ich glaube, dass Oppositionen für eine demokratische Politik ganz wichtig sind. Es müssen auch diejenigen, die Kritik üben wollen, ihre Kritik deutlich geäußert sehen - also in einer starken Opposition.

Große Koalitionen fördern die Ränder. Aber das andere stimmt auch: Starke Ränder zwingen gelegentlich zu großen Koalitionen. Das ist der Teufelskreis, in den man sich da begibt. Ich halte es deshalb für wichtig, dass wir Positionen haben in einem Parlament, in dem es starke Oppositionen und starke Regierungen gibt.

domradio.de: Bis 18 Uhr können wir heute noch unsere Stimme abgeben. Worum geht es bei dieser Bundestagswahl im christlichen Sinn?

Sternberg: Es geht vor allem darum, ob wir europa- und weltpolitisch so offen bleiben, wie es unsere Politik derzeit ist. Ob wir ernst nehmen, was Menschen in so großer Zahl zu uns nach Europa treibz und drängt. Dass wir internationale Gerechtigkeit groß schreiben. Internationale Gerechtigkeit, Europa und meines Erachtens auch die Frage unseres Umgang mit Menschen islamischen Glaubens in der Differenzierung, was Islam als Religion - und was er in seiner Pervertierung als Ideologie ist.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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