CDU-Politiker Wolfgang Schäuble wird 75 Jahre alt

Ein überzeugter Christ

​Er hat die Geschicke Deutschlands maßgeblich mitgeprägt: von der Wiedervereinigung bis zur Überwindung der Finanzkrise. Wolfgang Schäuble feiert am 18. September seinen 75. Geburtstag - und stellt sich nochmals zur Wahl.

Autor/in:
Christoph Scholz
Wolfgang Schäuble beim Evangelischen Kirchentag / © Markus Nowak (KNA)
Wolfgang Schäuble beim Evangelischen Kirchentag / © Markus Nowak ( KNA )

Wolfgang Schäuble zitiert gerne Kant: "Aus krummem Holz ist der Mensch geschnitzt." Der CDU-Politiker rechtfertigt mit der Aussage des Philosophen den Pragmatismus in der Politik angesichts der Unwägbarkeiten menschlichen Handelns. Das Zitat liegt dem gebürtigen Schwarzwälder aber wohl auch biografisch nahe. Der jüngst verstorbene Historiker Hans-Peter Schwarz bezeichnete ihn in seiner Kohl-Biographie als "fähigste und zugleich tragischste Persönlichkeit in der neueren CDU-Geschichte". Dass ihm der Glaube gerade in schwierigen Momenten Halt gibt, hat der überzeugte Protestant mehrfach bekannt - nicht zuletzt mit Blick auf das Attentat 1990, seitdem er querschnittgelähmt ist.

45 Jahre im Bundestag

Seit 1972 erzielte er im Wahlkreis Offenburg stets das Direktmandat für den Bundestag, zuletzt mit 56 Prozent. Und 75. Geburtstag hin oder her: Bei der Wahl sechs Tage später kandidiert er nochmals - für seine dann 13. Legislaturperiode. Nach neuer Geschäftsordnung des Bundestags würde er dann als dienstältester Parlamentarier die konstituierende Sitzung eröffnen. Der zweite von drei Söhnen des CDU-Abgeordneten im Badischen Landtag, Karl Schäuble, begann seine eigene politische Karriere 1961 mit dem Eintritt in die Junge Union. Während des Studiums der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften wurde er RCDS-Vorsitzender in Freiburg und Hamburg.

Politiker Wolfgang Schäuble

Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist der dienstälteste Abgeordnete der deutschen Parlamentsgeschichte seit 1871. Im November 1972 wurde der gebürtige Freiburger im Wahlkreis Offenburg erstmals in den Bundestag gewählt. Seit fast 50 Jahren hat er ohne Unterbrechung das dortige Direktmandat inne. Am 18. September wird der promovierte Jurist, der neben Rechts- auch Wirtschaftswissenschaften studierte, 80 Jahre alt.

Wolfgang Schäuble (CDU) / © Kay Nietfeld (dpa)
Wolfgang Schäuble (CDU) / © Kay Nietfeld ( dpa )

Der rasche Aufstieg des Christdemokraten war aufs engste mit Helmut Kohl verbunden, der ihm zum Schicksal werden sollte. Nach dessen Wahl zum Kanzler am 1. Oktober 1982 wurde Schäuble Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Kohl berief ihn später zum Chef des Bundeskanzleramts und im April 1989 zum Bundesinnenminister. In dieser Funktion fiel ihm die Mammutaufgabe zu, den Einheitsvertrag mit der DDR auszuhandeln. Der junge Minister schrieb Geschichte – und empfahl sich für Höheres. Bei der Debatte um den Regierungsumzug galt seine Rede als Wendepunkt für das Berlin-Votum. Um sich den Rücken freizuhalten, erklärte ihn Kohl 1997 schließlich zum "Kronprinzen" - für 2002.

Ressortchef unter Merkel

Das zunehmend angespannte Verhältnis zerbrach aber mit der Parteispendenaffäre. Sie besiegelte das Ende der Ära Kohl. Schäuble musste im Februar 2000 den Partei- und Fraktionsvorsitz niederlegen und zuschauen, wie die junge Angela Merkel an ihm vorbeizog. Zweimal wurde er noch als Kandidat für das Bundespräsidentenamt gehandelt, einmal als EU-Kommissar, doch andere kamen zum Zug. Als Ressortchef unter Merkel gestaltete der Ausnahmepolitiker maßgeblich weiter die Geschicke Deutschlands. Mit der Islamkonferenz legte er die Grundlage für eine bessere Integration der 4,5 Millionen Muslime, auch gegen Vorbehalte in den eigenen Reihen. Als Finanzchef navigierte er Deutschland durch die Finanzkrise.

Und zur Euro-Rettung griff der überzeugte Europäer auch zu harten Bandagen. Für seine Verdienste um die "Wiedervereinigung und Neuordnung Europas" erhielt er 2012 den Karlspreis. "Das Christliche ist der Orientierungsrahmen für eine pragmatische Politik", bekannte Schäuble in einem Interview. Für Kritiker ist dieser Pragmatismus bisweilen grenzenlos. Seine Sicherheitspolitik brachte ihm sogar den negativen "Big Brother Award" ein. In der Bioethik plädiert er etwa beim Embryonenschutz eher für Forschungsfreiheit und Einzelfallentscheidungen.

Politik und Kirche

Der bekennende Lutheraner hadert nicht selten mit der politischen Positionierung seiner Kirche und ist doch regelmäßiger Gast bei Kirchentagen oder zuletzt bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dort unterstrich er, dass der Staat nicht für Barmherzigkeit zuständig sei, sondern für Gerechtigkeit. Die Politik müsse demütig zu der Erkenntnis kommen, dass sich moralische Eindeutigkeit nicht umstandslos in Politik übersetzen lasse. Von der Reformation sollten Christen auch lernen, dass "Religion, um politisch zu sein, erst einmal Religion sein muss", so Schäuble.

Kirche steht für ihn zuerst für "Halt, Geborgenheit und Gemeinschaft". Persönlich versuche er sich seinen "Konfirmandenglauben zu bewahren", betont er: "Dann wird es nicht so kompliziert."

Quelle:
KNA