Rohingya in Myanmar unter Druck

Ein Volk ohne wirkliche Heimat

Es ist ein Volk, das niemand haben will: Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die in Myanmar verfolgt wird und anderswo unerwünscht ist. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Die Suche reicht in die Kolonialzeit zurück.

Rohingya auf der Flucht / © Nyunt Win (dpa)
Rohingya auf der Flucht / © Nyunt Win ( dpa )

domradio.de: Wie kam es denn zu der aktuell großen Fluchtbewegung der muslimischen Rohingya?

Rodion Ebbighausen (Autor, Journalist und Süostasienexperte): Die Lage im sogenannten "Rakhaing-Staat", einer Teilregion im Nordwesten Myanmars, ist schon seit langem angespannt. Vor ungefähr einer Woche, am 25. August, hat eine Gruppe von militanten Rohingya, die sich selbst "Arakan Rohingha Salvation Army" nennt, einige Grenz- und  Sicherheitsposten überfallen. Daraufhin haben die myanmarischen Sicherheitskräfte, wie sie das immer getan haben, mit Operationen begonnen. Diese beinhalteten, die Dörfer zu durchkämmen und zu versuchen, die Militanten aufzuspüren. Das geht meistens mit sehr viel Gewalt und dem Abrennen ganzer Dörfer einher. Daraufhin sind nach neuesten Meldungen bis zu 40.000 Rohingya aus dem "Rakhaing-Staat" nach Bangladesch geflohen.

domradio.de: Wofür kämpft diese Miliz?

Ebbighausen: Diese Milz ist eine relativ neue Erscheinung. Sie ist das erste Mal im Oktober 2016 aufgetreten. Nach eigenen Aussagen kämpfen sie nur für die Angelegenheiten der Rohingya. Sie distanzieren sich explizit von einem internationalen Dschihad und Ähnlichem. Sie sagen, sie kämpfen dafür, dass die Rohingya in Myanmar anerkannt werden, die Staatsbürgerschaft bekommen und somit Bürger Myanmars werden.

domradio.de: Es gibt in Myanmar mehr als 100 anerkannte Volksgruppen. Die Rohingya gehören nicht dazu und haben damit auch kein Recht auf die Staatsbürgerschaft. Warum werden die Rohingya in Myanmar überhaupt so ausgegrenzt?

Ebbighausen: Das hat historische Gründe, die Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte zurückreichen. Die Vorfahren der muslimischen Minderheit der Rohingya lebten auch schon lange in Myanmar. Es gab aber immer wieder Gesetzesnovellen, nach denen festgestellt wurde, wer denn überhaupt Staatsbürger Myanmars ist und wer nicht. Das letzte große Gesetz dazu ist im Jahr 1982 erlassen worden. Darin hat die Zentralregierung ethnische Minderheiten definiert, die zu Myanmar gehören. Die Rohingya wurden damals nicht mit aufgenommen. Deswegen sind sie offiziell keine Staatsbürger, können keine Schulen besuchen, haben keinen Anspruch auf Gesundheitsvorsorge und können nicht reisen. Die Zentralregierung sagt, die Rohingya seien keine Bürger des Landes, sie würden auch noch nicht lange hier leben. Es seien letztendlich illegale Immigranten aus Bangladesch. Es ist aber nachweislich so, dass ein großer Teil der Rohingya - wenn vielleicht auch nicht unter diesem Namen - seit vielen Jahren und Jahrzehnten in der Region lebt.

domradio.de: Hat das auch etwas damit zu tun, dass Myanmar vor allem buddhistisch geprägt ist und die Rohingya aber gläubige Muslime sind?

Ebbighausen: Ich glaube, das spielt in jedem Fall eine Rolle. Aber man muss sagen, dass es auch andere muslimische Minderheiten gibt, die im "Rakhaing-Staat" und anderen Teilen des Landes leben, die durchaus anerkannt sind. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Buddhisten war immer sehr angespannt. Das hat mit der Kolonialzeit zu tun, denn die Briten haben für die Verwaltungsarbeit häufig muslimische Inder ins Land geholt, die im Kolonialismus die grobe Arbeit übernommen haben. Deswegen sind sie sehr unbeliebt.

Es gibt eben beides: Es gibt muslimische Minderheiten, die anerkannt sind und mit denen es viel weniger Probleme gibt und es gibt diese Sonderfunktion in dem Teilstaat. Dort ist es einfach schwieriger, weil es sich um eine große muslimische Minderheit handelt. Zudem sind die Spannungen aus historischen Gründen im Grenzgebiet zu Bangladesch, einem überwiegend muslimischen Land, besonders stark.

domradio.de: Verschärft sich der Konflikt mit Blick auf die aktuelle Regierung in Myanmar noch?

Ebbighausen: Aung San Suu Kyi, die als Staatsrätin das Land zumindest politisch führt, verhält sich merkwürdig. Sie sagt nichts zum Konflikt. Sie hat aber Kofi Annan, den ehemaligen UN-Generalsekretär, damit beauftragt, eine Kommission für den "Rakhaing-Staat" zu gründen, um Vorschläge zu entwickeln, wie das Problem zu lösen sein könnte. Er hat am 25. August einen Lösungsvorschlag vorgelegt und an gleichem Tag begannen diese Unruhen.

Aung San Suu Kyi ist nicht alleine verantwortlich für das, was im Land passiert. Es gibt das Militär, das eine Art Staat im Staat ist und eine eigene Politik verfolgt, ohne dass man da genau durchblicken würde. Aber wenn man das alles zusammennimmt, glaube ich nicht, dass die Zeichen auf Entspannung stehen. Es gibt kaum Chancen, dass sich die Lage verbessert oder entspannt. Und ich sehe auch nicht, dass es ein ernsthaftes Bestreben der Regierung gibt, was damit zu tun hat, dass ein Großteil der Buddhisten im Land stark gegen die Rohingya eingestellt ist. Das Land ist schon sehr polarisiert und diese Polarisierung nimmt weiter zu.

domradio.de: Wirft die Lage auch ein Schlaglicht auf die generelle Menschenrechtslage in Myanmar, wenn man auch einen Blick auf die Christen im Land wirft?

Ebbighausen: Man muss sagen, dass der Rohingya-Konflikt nicht der einzige blutige Konflikt ist, der zurzeit in Myanmar ausgetragen wird. Es gibt auch die Kachin, eine überwiegend christliche Minderheit, die zurzeit auch in einem militärischen Konflikt mit der Zentralregierung steht. Auch da existieren immer wieder aufbrechende Konflikte. Man kann vielleicht sagen, dass das Kernland mit der buddhistischen Mehrheit befriedet ist. Insgesamt ist die Menschenrechtslage sehr schwierig. Und was die ethnischen und religiösen Minderheiten angeht, steht es momentan nicht gut.

Das Interview führte Christoph Paul Hartmann.


Quelle:
DR
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