CDU-Politiker Hirte zur Zukunft des Christentums in Deutschland

"Christliche Feste werden keine große Rolle mehr spielen"

Wie wird das Christentum in Zukunft wahrgenommen? Der Kölner CDU-Politiker Heribert Hirte glaubt, dass Religionen immer stärker ins Abseits geraten werden - und sich deshalb mehr auf ihre Kernfragen konzentrieren sollten.

Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer (dpa)
Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer ( dpa )

domradio.de: Inwiefern fällt Ihnen denn der wachsende Atheismus - beispielsweise in der öffentlichen Debatte  - auf?

Heribert Hirte (CDU-Bundestagsabgeordneter): Es fängt ganz simpel damit an, dass die Menschen weniger in die Kirche gehen. Nur auf die Christen bezogen merkt man, dass es weniger christliche Symbole in der Öffentlichkeit gibt. Wenn christliche Symbole offensiv zur Schau getragen werden, wie zum Beispiel das Kreuz, wird das als aggressiv wahrgenommen – zumindest von Teilen der Bevölkerung.

Eine Diskussion, die wir hier in Köln geführt haben, drehte sich um den Umgang mit christlichen Feiertagen, vor allem dem Karfreitag. Welchen Sinn hat es, an diesem Tag still zu sein? Hat eine christlich geprägte Gesellschaft das Recht, anderen, die damit nichts zu tun haben wollen, diese Feiertage vorzuschreiben?

domradio.de: Warum sehen Sie in der Religionslosigkeit ein Problem?

Hirte: Ich sehe deshalb ein Problem darin, weil es Menschen gibt, bei denen Religion eine große Rolle spielt. Wir haben das auch in der Diskussion um die Flüchtlingskrise erlebt. Religionslose Menschen haben dann kein Verständnis dafür, dass andere Menschen ihre Religion ausüben wollen. Wir haben in Köln immer eine relativ tolerante Gesellschaft gehabt  - auch gegenüber Religionen. Deshalb gab es auch in der Flüchtlingskrise wenige Vorfälle. In anderen Teilen der Republik, insbesondere im eher atheistischen Ostdeutschland, gab es auch entsprechende Aggressionen gegenüber Religion.

domradio.de: Etwa um das Jahr 2030 wird nach derzeitigen Prognosen weniger als die Hälfte der Deutschen Christen sein. Wie wird die sinkende Religiosität unser öffentliches Leben in Zukunft verändern?

Hirte: Mit Sicherheit werden die christlichen Feste keine große Rolle mehr spielen. Diejenigen, die Feste feiern wollen, werden als fremdartig zur Kenntnis genommen. Das bedeutet, dass sie möglicherweise in eine Abseitsposition gedrängt werden. Bei der Religionsfreiheit, die heute als Freiheit der Religionen gegeneinander wahrgenommen wird, wird es künftig darum gehen, sich gegen den Atheismus zu wehren und den Anspruch geltend zu machen, seine Religion ausüben zu können.

Es geht also nicht mehr um den Kampf der Religionen gegeneinander - wie es zum Teil heute wahrgenommen wird - , sondern um den gemeinsamen Kampf der Religionen gegen diejenigen, die die Frage nach dem Sinn nicht mehr stellen wollen.

domradio.de: Kann Ihre Partei sich dagegen positionieren?

Hirte: Religion versucht, die Sinnfrage zu beantworten. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt, der von den Religionen zu wenig in den Vordergrund gestellt wird. Die Osterbotschaft spielt erstmal keine Rolle.

Stattdessen geht es um die Position zum Kitaausbau oder um die Frage, wie man die Flüchtlingspolitik organisiert. Das sind Fragen, die mit der Kernfrage der Religionen erstmal nichts zu tun haben. Die Religionen könnten deshalb stärker hervorheben, dass sie versuchen genau diese Sinnfragen zu beantworten - Fragen jenseits dessen, was rational erklärbar ist. Die Politik sollte ihnen dafür die entsprechende Freiheit gewähren.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Vater, Mutter und Kinder reichen sich die Hände und beten vor dem Essen.  / © Harald Oppitz (KNA)
Vater, Mutter und Kinder reichen sich die Hände und beten vor dem Essen. / © Harald Oppitz ( KNA )

Nach der Weihe tragen die Mädchen die Kräuterbuschen zum Festplatz am See. / © Andreas Gebert (dpa)
Nach der Weihe tragen die Mädchen die Kräuterbuschen zum Festplatz am See. / © Andreas Gebert ( dpa )
Quelle:
DR