Auffallende Ununterscheidbarkeit bei den Parteien

Die Qual der Wahl

Gute Lebensbedingungen für Familien, sichere Arbeitsplätze, Investitionen in Bildung, eine saubere Umwelt, sozialer Frieden - all diese Forderungen kann man unbesehen unterstützen. Doch welcher Partei sind sie zuzuordnen?

Autor/in:
Andreas Öhler
Wahlplakate für die Bundestagswahl 2017 / © Wolfgang Kumm (dpa)
Wahlplakate für die Bundestagswahl 2017 / © Wolfgang Kumm ( dpa )

In der Kommunikationswissenschaft gibt es den Begriff von der "Duplizität der Ereignislosigkeit". Nichtssagende Botschaften scheinen an öffentlichem Gewicht zu gewinnen, indem sie einfach immerfort wiederholt werden. Ihre Inhalte sind austauschbar. Die Plakate zur Bundestagswahl 2017 sind ein starker Beleg für die Richtigkeit dieser These.

Selten blieben die Slogans so vage und beliebig. Kaum eine politische Profilierung ist in diesem Wahlkampf sichtbar. Die Ununterscheidbarkeit der gegeneinander antretenden Parteien ist auffallend. Die CDU zeigt eine lächelnde Kanzlerin über der Zeile:

"Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben". Klar doch: Das will irgendwie jeder. Ein Bürger aus den reichsten Schichten der Gesellschaft, der für eine Steuersenkung eintritt, lebt aber womöglich anders gut und gerne, als ein Hartz-IV-Empfänger, der unter gut leben eine Erhöhung des Sozialhilfesatzes verbindet.

"Solgan vernebelt gesellschaftliche Gegensätze"

Gesellschaftliche Gegensätze, wie sie nun einmal existieren, werden mit diesem Slogan vernebelt. Ein AFD-Wähler lebt gut und gerne in einem Land mit dichten Grenzen und ohne Flüchtlinge. Ein der Multikulti-Gesellschaft verpflichteter Grünen-Wähler will dagegen ein kunterbuntes Deutschland.

Der christdemokratischen Slogan "Europa stärken, heißt Deutschland stärken" gleicht der Grünen-Parole: "Von weniger Europa hat keiner mehr" oder dem Werbespruch der SPD: "Warum Europa? Weil wir gemeinsam stärker sind als allein". Die SPD textet: "Kinder fordern Eltern, wir fördern Eltern", die CDU:

"Familien sollen es kinderleichter haben". Auch die FDP in der Person von Christian Lindner scheint das Kind entdeckt zu haben: "Schulranzen verändern die Welt. Nicht Aktenkoffer". Und das von einer Partei, die als Klientelbetreuer der Manager galt! Meinen sie plötzlich dasselbe wie die Grünen: "Kinderarmut kann man kleinreden oder groß bekämpfen"?

SPD macht Bildung zum Thema

Ausgerechnet die SPD, deren rot-grüne Landesregierung in diesem Jahr auch wegen ihrer Bildungspolitik abgewählt wurde, tritt an mit dem Satz: "Bildung darf nichts kosten. Außer etwas Anstrengung". Fragt man Eltern und Lehrer aus diesem Bundesland, empfanden diese die Bildungsreformen mehr als anstrengend.

Die Sozialdemokraten werben zudem mit einem Konterfei ihres Spitzenkandidaten Martin Schulz. Daneben der schüchterne Satz: "Die Zukunft braucht neue Ideen. Und einen, der sie durchsetzt". Problem dabei: Wer soll denn nun der eine sein? Und warum einer und nicht eine? Undenkbar, dass Gerhard Schröder oder Helmut Schmidt so defensiv daher gekommen wären. "Ich setze die Ideen durch" - soweit hätte Schulz schon seinen Willen zur Macht formulieren können. Auch der Slogan: "Zeit für mehr Gerechtigkeit" irritiert den Wähler. Hat die SPD nicht mitregiert - und in den vergangenen vier Jahren genug Zeit gehabt, für etwas mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen?

Die Linke springt auf diesen Zug auf mit den Parolen: "Millionäre besteuern, mehr Geld für Kitas und Schulen", "Sicherer Job, planbares Leben" und "Mieten müssen bezahlbar sein". Doch dann ihr Frontplakat: "Keine Lust auf Weiterso: die Linke" steht da in weißen Lettern auf rotem Grund. Mit dicken Zensurbalken sind die Worte keine und Weiterso gestrichen. Nun steht da: "Lust auf die Linke". Seit wann wählt man nach dem reinen Lustprinzip eine Partei auf vier Jahre, so wie man mal eben Lust auf einen Prosecco spürt?

"AfD setzt auf Abgrenzung"

Auf Emotionen des Wählers setzt auch die AfD mit ihrer "Trau-Dich-Kampagne". Sie zielt auf die Outing-Kultur unserer Tage, setzt aber auf Abgrenzung: Bikini statt Burkas. Ihre Vorstellung von Vielfalt ist mit bunten deutschen Volkstrachten erschöpft. Die Alternativen werben mit Deutschlandflagge und den markigen Worten "Mut zu Deutschland".

Ein Plakat, das bis vor kurzem noch ein typisches CDU-Plakat gewesen ist. Neben fremdenfeindlichen und eurokritischen Tönen zeigt sich Frauke Petri mit ihrem Neugeborenen über dem Titel: "Und was ist Ihr Grund, für Deutschland zu kämpfen?" - Die Grünen entgegnen: "Nur wer Chancen bekommt, kann Chancen nutzen". Über alle austauschbaren Selbstverständlichkeiten scheint eines klar: Mutti wird es wohl richten müssen.


Quelle:
KNA