Caritas lehnt Trump-Pläne zu Afghanistan ab

"Mehr Militär ist keine Lösung"

In einer beispiellosen Kehrtwende hat US-Präsident Donald Trump eine Ausweitung des US-Militäreinsatzes in Afghanistan und einen rigorosen Antiterrorkampf in der Region angekündigt. Caritas International hegt große Zweifel an der Strategie.

Autor/in:
Christine-Felice Röhrs und Michael Donhauser für dpa
US-Soldaten in Afghanistan / © Sgt. Justin Updegraff/U.S. Marine Corps (dpa)
US-Soldaten in Afghanistan / © Sgt. Justin Updegraff/U.S. Marine Corps ( dpa )

Diese neue Taktik der Afghanistan-Politik ist nach Einschätzung von Caritas International nicht sinnvoll. "Viel zu lange ist in Afghanistan auf die militärische Lösung gesetzt worden, wie es US-Präsident Donald Trump offenbar nun wieder vor hat", sagte der Afghanistan-Referent des katholischen Hilfswerks, Ivo Körner, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Ausgaben betrug in der Vergangenheit 1:7. Befriedet ist das Land dennoch nicht."

Nach mehr als 15 Jahren der militärischen Intervention sei Afghanistan weiter eines der ärmsten Länder der Welt, erklärte Körner. 60 Prozent der Kinder seien mangelernährt, 7,4 Millionen Menschen litten unter akuter Lebensmittelknappheit. "Es wäre Afghanistan deshalb besser geholfen, wenn die internationale Gemeinschaft mehr in den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und die Stärkung der Wirtschaft und Infrastruktur investieren würde", sagte Körner.

Der Caritas-Experte erklärte, dass es die Hoffnungslosigkeit und die Wut auf die korrupte Verwaltung und Eliten sei, der viele Afghanen in die Hände der Taliban treibe. "Die zahlen mehr Geld als ein Bauer sonst verdienen kann."

Mehr Soldaten gegen den Terror

Trump hatte am Montagabend seine Afghanistan-Strategie verkündet. Dabei rückte er von der Politik seines Vorgängers Barack Obama und auch von seinem eigenen Wahlversprechen ab, die US-Soldaten so bald wie möglich komplett abzuziehen. Ein Abzug berge das Risiko eines Machtvakuums, das dem Terror das Feld überlasse, sagte er.

Mit mehr Soldaten als bisher soll der Kampf gegen Extremisten in Afghanistan intensiviert werden. Die US-Truppen sollen direkt und gezielt gegen Terroristen vorgehen. Genaue Zahlen über die Anhebung der Truppenstärke von derzeit 8.400 nannte Trump ausdrücklich nicht, ein Vorschlag des Pentagon geht aber von einer Aufstockung um rund 4.000 aus.

"Diese Mörder müssen wissen, dass sie sich nirgendwo verstecken können, dass kein Platz außerhalb der Reichweite amerikanischer Macht und amerikanischer Waffen liegt", sagte Trump bei der Vorstellung seiner neuen Afghanistan-Strategie in einer landesweit übertragenen Ansprache. Die radikalislamischen Taliban kündigten als Reaktion einen "Heiligen Krieg bis zum letzten Atemzug" an.

Totalumkehr von bisheriger Auffassung

Dies ist eine Totalumkehr der bisher von Trump artikulierten Auffassung. Lange Zeit hielt er es für einen Fehler, die Afghanistan-Mission überhaupt begonnen zu haben. Er forderte wiederholt, sie so schnell wie möglich zu beenden. "Mein eigentlicher Instinkt war der Rückzug", gab der US-Präsident zu. Er habe sich jedoch überzeugen lassen. Ein schneller Rückzug hätte die Gefahr bedeutet, ein Machtvakuum wie seit 2011 im Irak zu schaffen und Terroristen das Feld zu überlassen.

Trump sagte, von nun an werde Sieg klar so definiert: "Unsere Feinde angreifen, den IS auslöschen, Al-Kaida zerquetschen, die Taliban davon abhalten, Afghanistan zu übernehmen und Terror-Anschläge gegen Amerika verhindern, bevor sie geschehen." Für den Einsatz werde es keine zeitlichen Vorgaben mehr geben. "Amerikas Feinde dürfen nicht glauben, dass sie unsere Pläne kennen oder einfach abwarten können, bis wir gehen." Trump machte jedoch auch deutlich: "Wir werden nicht wieder Staatsaufbau betreiben - wir werden Terroristen töten."

Der Militäreinsatz in Afghanistan, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vom republikanischen Präsidenten George W. Bush begonnen, ist mit fast 16 Jahren Amerikas längster Krieg. 2400 US-Militärangehörige kamen bisher ums Leben. Trump ist nach Bush und Barack Obama der dritte Präsident, der sich diesem Thema stellen muss. Mit dem Ergebnis war bisher keiner zufrieden. Afghanistan ist weit davon entfernt, ein sicheres und demokratisch regiertes Land zu sein. Es herrschen Korruption und Unsicherheit.

Drohungen der Taliban

Die Taliban drohten, sollten die USA nicht abziehen, werde Afghanistan zu ihrem Friedhof werden. Die Extremisten kontrollieren heute wieder etwa elf Prozent des Landes und kämpfen um etwa 30 Prozent. Trump erwähnte, eine politische Lösung könne zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen auch "Elemente der Taliban" enthalten - jedoch wisse niemand, ob und wann das geschehen werde.

Der US-Präsident sagte weiter, er sei sich bewusst, dass die Amerikaner kriegsmüde seien. Er teile ihre Frustration "über eine Außenpolitik, die zu viel Zeit, Energie, Geld - und vor allem Menschenleben - gefordert hat beim Versuch, Länder nach unseren Vorstellungen wieder aufzubauen statt unsere Sicherheitsinteressen über alle anderen Überlegungen zu stellen". Die Befugnisse des US-Militärs würden erweitert. Noch unklar ist, was diese Linie genau bedeutet und inwieweit sie mit den Nato-Verbündeten abgestimmt werden kann.

Bundesregierung reagiert zufrieden

Die Bundesregierung zeigte sich zufrieden, dass Trump nun doch noch keinen Termin für den Abzug der amerikanischen Soldaten aus Afghanistan festlegen will. "Es ist richtig und die Bundesregierung hat lange dafür geworben, dass ein Ende des Einsatzes an die Bedingungen vor Ort geknüpft wird", sagte eine Regierungssprecherin in Berlin.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte allerdings vor Alleingängen der USA und verwies auf die hohe Zahl von Asylbewerbern aus Afghanistan. "Wir erwarten von Washington, dass die USA ihr Vorgehen eng mit uns Europäern abstimmen."

Nach Jahren der Truppenreduzierungen zeichnet sich nun eine Aufstockung des US-Kontingents ab. Trump kündigte dies zwar wider Erwarten selbst nicht an. Eine gleich nach seiner Rede verschickte Mitteilung von Verteidigungsminister James Mattis ließ aber darauf schließen. Mattis werde sich zur Umsetzung der Strategie nun mit den Nato-Alliierten in Verbindung setzen, von denen "ebenfalls viele mehr Soldaten" versprochen hätten, hieß es. US-Medien hatten vor der Rede berichtet, dass es wohl eine Erhöhung um die 4000 Mann geben werde.

Auch andere NATO-Partner wollen aufstocken

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte Trumps neue Afghanistan- und Südasienstrategie. "Die Nato bleibt Afghanistan voll verpflichtet, und ich freue mich darauf, mit Verteidigungsminister Mattis, unseren Alliierten und internationalen Partnern die nächsten Schritte zu diskutieren", teilte Stoltenberg mit. Zudem wies er darauf hin, dass sich in den vergangenen Wochen bereits mehr als 15 Länder dazu bereit erklärt hätten, die Zahl ihrer Soldaten für den Afghanistan-Einsatz der Nato noch einmal aufzustocken. Von Deutschland liegt eine solche Zusage bislang nicht vor.

Trump drohte auch Pakistan, das mit der afghanischen Talibanführung "genau jene Terroristen beherbergt, die wir bekämpfen". Das müsse sich sofort ändern. Welche Maßnahmen die USA ergreifen wollen, blieb aber unklar. Dass Indien stärker mit wirtschaftlicher Hilfe eingebunden werden soll, wird aber schon als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Pakistan verstanden. Die beiden Länder sind Erzfeinde.

Deutschland hält sich mit Erhöhung zurück

Nach Nato-Angaben sind derzeit etwa 12 400 Soldaten im Einsatz, um afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und zu beraten. Angesichts der angespannten Sicherheitslage sollen es im kommenden Jahr rund 15 800 werden. Bis zuletzt war allerdings unklar, ob und in welchen Umfang sich die USA an der geplanten Aufstockung beteiligen.

Deutschland ist nach den USA und Italien bisher drittgrößter Truppensteller in Afghanistan, will aber nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel erst einmal keine Erhöhung der Mandatsgrenze prüfen, die derzeit bei 980 Soldaten liegt. Afghanistan bleibt nach dem westafrikanischen Mali der größte Einsatz der Bundeswehr im Ausland.


US-Präsident Donald Trump / © Susan Walsh (dpa)
US-Präsident Donald Trump / © Susan Walsh ( dpa )
Quelle:
epd , dpa , DR