Katholisches Büro zur politischen Lage in Niedersachsen

"Noch blicken wir durch"

Niedersachsen erlebt turbulente Zeiten: Nach dem Übertritt einer Grünen-Abgeordneten zur CDU sind aufgrund der Mehrheitsverhältnisse Neuwahlen nötig. Damit hätte man sich Zeit lassen können, meint das Katholische Büro des Landes.

Die Niedersachsen müssen wieder an die Wahlurnen / © Wolfram Kastl (dpa)
Die Niedersachsen müssen wieder an die Wahlurnen / © Wolfram Kastl ( dpa )

domradio.de: Blicken Sie da eigentlich noch durch, wer in Niedersachsen Politik macht und wer welche Interessen vertritt?

Prälat Prof. Dr. Felix Bernard (Leiter des Katholischen Büros Niedersachsen): Es gehört ja zu unseren Aufgaben, dass wir den Durchblick behalten. Aber in gut zwei Monaten wissen wir mehr. Am 15. Oktober wird gewählt. Dann wissen wir eindeutig, was los ist. Bis dahin haben wir eine Minderheitenregierung.

domradio.de: Sind Sie denn von dieser Neuwahl angetan und überzeugt?

Bernard: Nein. Ich bin der Auffassung, dass man noch ein Vierteljahr hätte warten können und dann ganz regulär im Januar hätte wählen können. Dann hätten die Parteien auch die Möglichkeit gehabt, sich entsprechend vorzubereiten, die Wahlprogramme zu erstellen und mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren. Das geht jetzt meines Erachtens alles zu schnell.

domradio.de: Die Nähe von Politik und Autokonzern hat in Niedersachsen Tradition. Der Ministerpräsident ist immer auch Mitglied im VW-Aufsichtsrat, weil das Land zweitgrößter Anteilseigner ist. Kann das überhaupt gut gehen?

Bernard: Bisher ist es ja gut gegangen und auch jetzt ist es gut gegangen. Denn das, was man dem jetzigen Ministerpräsidenten unterstellt, hat sich so nicht verifiziert. Es gab da Angleichungen von Redeanteilen. Aber ich denke, dass der Ministerpräsident immer noch selbständig genug ist, das in einer Regierungserklärung zu sagen, was er will. Ministerpräsident Weil hat das, so wie wir recherchiert haben, auch getan. Das haben auch die Veröffentlichungen der Änderungen der ganzen Rede gezeigt, dass das relativ unspektakulär war.

domradio.de: Inwieweit führt denn so etwas nicht doch zu Interessenkonflikten? Das sind ja zwei Aufgaben, bei denen sich die Frage stellt, wer denn eigentlich wen kontrolliert.

Bernard: Das ist in der Tat ein Problem. Ich denke, dass der Ministerpräsident zunächst einmal die Interessen der Bürgerinnen und Bürger des Landes im Blick haben sollte. Aber natürlich hat er in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied auch den VW-Konzern stark in den Blick zu nehmen. Ich denke, dass ist auch seine eigene Entscheidung, die er treffen muss – eine kluge und verantwortungsvolle Entscheidung.

domradio.de: Inwieweit schaden dieses politische Chaos und diese Verflechtungen auch der Stimmung im Land? Werden jetzt nicht noch mehr Bürger politikverdrossen und gehen möglicherweise aus einem Protestgedanken heraus gar nicht mehr wählen?

Bernard: Nach dem, was ich mitbekommen habe, hat die Entscheidung der Grünen-Abgeordneten Twesten nicht so viel Zustimmung in der Bevölkerung gefunden. Denn ihre Motive waren weniger sachlich, politisch gewählt, sondern es waren anscheinend eher persönliche Probleme, weil sie sich zurückgesetzt fühlte. Ich denke, dass so etwas zur Politikverdrossenheit beitragen kann und die Menschen sagen, dass sie eigentlich doch den verantwortungsvollen Politiker haben wollen, der natürlich seinem Gewissen verpflichtet ist, aber in Sachentscheidungen nicht persönlich betroffen reagiert.

domradio.de: Gibt es bei den Wählerinnen und Wählern den Gedanken, die Politiker da oben machen doch eh, was sie wollen?

Bernhard: Diese Mentalität findet man natürlich. Ich glaube aber, das stimmt so nicht. Denn wenn man mit Politikerinnen und Politikern zu tun hat, kann man dies eigentlich nicht bestätigen. Es gibt viele Politiker, die sehr verantwortungsvoll handeln und ihre Wahlkreise im Blick haben und etwas für die Menschen vor Ort tun, was Landespolitiker ja ohnehin viel machen. Sie sind auf die Menschen in ihrem Wahlkreis hin ausgerichtet. Da wird nach meiner Wahrnehmung schon sehr viel Gutes geleistet.

domradio.de: Was ist Ihr Appell mit Blick auf die Neuwahlen an die niedersächsische Politik? Was sollte sich in der nächsten Legislaturperiode dringend ändern?

Bernard: Zunächst einmal soll das, was gut gelaufen ist, weitergeführt werden, also die Konsolidierung des Haushalts, die Reduzierung der Arbeitslosenzahlen und die Integration der geflüchteten Menschen. Da hat Niedersachsen ein wunderbares Projekt unter dem Motto "Niedersachsen packt an" angestoßen, wo wir als Kirchen gemeinsam mit Gewerkschaften, Unternehmerverbänden, kommunalen Spitzenverbänden und der Regierung zusammen beteiligt sind, um Aktionen aufzulegen, die geflüchteten Menschen integrieren wollen. Das sollte man weiterführen.

Es ist auf jedem Fall etwas im Bereich der Bildungspolitik zu tun. Wir haben zu wenig Lehrerinnen und Lehrer. Nach den Sommerferien ist in Niedersachsen ein kleines Chaos entstanden, weil wir zu wenig Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen haben. Der Bildungsbereich ist allerdings auch eine Daueraufgabe, der uns immer wieder begleitet.

Sicherlich müssen auch im Bereich des Schutzes der Sonn- und Feiertage noch genauere Regelungen aufgesetzt werden. Das Thema Ladenöffnungszeiten ist derzeit etwas arg schwammig.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Prälat Felix Bernard (Katholisches Büro Niedersachsen)

Unter Druck: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil / © Swen Pförtner (dpa)
Unter Druck: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil / © Swen Pförtner ( dpa )
Quelle:
DR