Wirbel auf Linken-Parteitag in Hannover

Hickhack über Staatsverträge mit Kirchen

Die Linke hat auf ihrem Bundesparteitag ihr Programm für die Bundestagswahl verabschiedet. Darin geht es um soziale Ungleichheit, Rüstungsexporte und Abrüstung. Chaos gab es wegen Staatsleistungen an die Kirchen.

Die Linke will Trennung von Staat und Kirche / © Jens Wolf (dpa)
Die Linke will Trennung von Staat und Kirche / © Jens Wolf ( dpa )

Nach rund 14 Stunden Beratungen hatte sich die Zahl der Delegierten auf dem Bundesparteitag der Linken in Hannover am späten Samstagabend dezimiert. Zur Debatte standen zahlreiche kleinere Änderungsanträge zu den Themen Kirche und Religion. Umso stärker rieben sich viele später die Augen, als sie realisierten, dass mit knapper Mehrheit die anwesenden Delegierten einen Antrag verabschiedet hatten, der weit über den Leitantrag hinaus das Aufkündigen der Staatsverträge mit den Kirchen festhielt. Staatliche Finanzierung der "theologischen Ausbildung und Seelsorge in Bundeswehr Krankenhäusern und Strafanstalten" sollten abgeschafft werden.

Antrag "Gott sei Dank" abgelehnt

Ein Regiefehler, wie Spitzenkandidat Dietmar Bartsch im Nachhinein sagte. "Gott sei Dank" sei der Antrag bei der erneuten Abstimmung am Sonntag doch abgelehnt worden. Es sei ungewöhnlich für einen Parteitag der Linken, dass es eine Wiederholung der Abstimmung am Folgetag gegeben habe, räumte Bartsch ein, aber es sei in diesem Fall die richtige Einscheidung gewesen. Nach Aussage der Parteivorsitzenden Katja Kipping habe der Parteitag "aus seiner Mitte heraus die Reife gehabt", diese Abstimmung zu wiederholen.

"Kirchen sind wichtige Partner"

Auch der Parteivorsitzende Bernd Riexinger zeigte sich erleichtert. Die Partei habe ein gutes Verhältnis zu den Kirchen, das sie nicht aufs Spiel setzen wolle. "Viele Teile der Kirchen sind wichtige Bündnispartner in der Flüchtlingsfrage und der sozialen Frage", sagte Riexinger dem Sender Phönix und ergänzte, dass in Zeiten von Rassismus und einer Abgrenzung nach rechts, "viele Teile der Kirchen auf unserer Seite sind".

Wahlprogramm sieht Trennung vor

Im beschlossenen Wahlprogramm bekräftigt die Partei eine "institutionelle Trennung von Staat und Kirche". Weiter fordert sie eine Ablösung der Staatsleistungen, wie es der seit 1919 bestehende Verfassungsauftrag vorsieht. Die Leistungen sind Ersatzzahlungen des Staates für Vermögensverluste der Kirchen durch Reformation und Reichsdeputationshauptschluss.

Die Kirchen sollen aus Sicht der Partei ihre Mitgliedsbeiträge auch selbstständig erheben. Derzeit wird die Kirchensteuer vom Staat eingezogen, der hierfür rund drei Prozent des Aufkommens erhält.

Mit Blick auf die katholische und evangelische Militärseelsorge heißt es im Wahlprogramm, dass die bisherige Form nicht verfassungsmäßig sei und es ersatzweise einen Vertrag brauche, der eine religiöse Betreuung für "alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr garantiert".

Kostenlose Austritte aus Kirchen

Austritte aus Religionsgemeinschaften und Kirchen sollen aus Sicht der Partei kostenlos sein. Religiös motivierte Bekleidung dürfe nicht verboten werden, heißt es weiter. Ferner will die Partei auch jüdische und muslimische Festtage als staatlich geschützte Feiertage anerkennen.

Kritisch bewertet die Linke im Wahlprogramm, dass es für Beschäftigte in Kirche, Diakonie und Caritas infolge des derzeit praktizierten "Dritten Wegs" kein Streikrecht gibt und fordert eine Streichung des entsprechenden Paragraf im Betriebsverfassungsgesetz.

Zugleich nennt die Linke die Kirchen als Partner im Kampf gegen Rüstungsexporte und -produktion. Hier wolle die Partei mit gesellschaftlichen Partnern aus "Gewerkschaften, Friedensbewegungen und Kirchen Konversionsprogramme für die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie entwickeln, um neue Arbeitsplätze zu schaffen".

Kritik an Rüstungspolitik

Bartsch bekräftigte auf dem Parteitag, dass seine Partei einen Abrüstungswahlkampf führe, denn das Geld werde an anderer Stelle dringender gebraucht. Zugleich kritisierte er die Rüstungspolitik der Bundesregierung.

Die Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht ging in ihrer Rede die Bundesregierung auf das Schärfste an und sprach von "deutschen Kriegsabenteuern", welche die Linke beenden wolle.

Riexinger forderte ein Ende aller Einsätze der Bundeswehr. Mit seiner Partei werde es keine Kampfansätze der Bundeswehr mehr geben, "auch nicht als Eintrittspreis in eine Regierung".

Lange debattierten die Delegierten über die Einleitung des Wahlprogramms und das Plädoyer für Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit. "Sozial. Gerecht. Für alle" - so die beschlossenen Schlagworte für die Bundestagswahl.


Die beiden Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, auf dem Parteitag. / ©  Peter Steffen (dpa)
Die beiden Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, auf dem Parteitag. / © Peter Steffen ( dpa )
Quelle:
KNA