Vertragen sich AfD-Positionen mit der katholischen Soziallehre?

Trennung auf den zweiten Blick

Die AfD spricht vom Erhalt des christlichen Abendlandes und christlicher Werte. Gibt es da etwa auch programmatische Überschneidungen mit der katholischen Soziallehre?

Stimmkarten auf AfD-Parteitag / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Stimmkarten auf AfD-Parteitag / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

domradio.de: Man würde ja vermuten, dass es keine großen Überschneidungen zwischen den Positionen der "Alternative für Deutschland", also der AfD und der katholischen Soziallehre gibt. Was sagt Ihre Studie dazu?

Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins (Direktorin des Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster und eine der Hauptverantwortlichen für die Vergleichsstudie): Ich kann bestätigen, dass es nicht viele Überschneidungen gibt. Es sieht zwar an manchen Stellen der Programmatik so aus, aber man muss ein wenig hinter die Kulissen schauen. Wenn man die Grundpositionen betrachtet, dann sieht man sehr schnell, dass dort doch sehr tiefe Differenzen liegen.

Die AfD vertritt grundsätzlich ein sehr nationalistisches Bild von Gesellschaft und Staat und ein Weltbild, das sehr stark von einem "ethno-nationalen" Denken geprägt ist. Das ist der katholischen Soziallehre sehr fremd. Fremd sind ihr auch die Feindbilder, mit denen die AfD arbeitet. Wenn es Aussagen gibt, die im Einzelnen so ähnlich aussehen wie Aussagen in der katholischen Soziallehre, ist man gut beraten, genauer hinzuschauen. Man muss nachfragen, welches Denken, welche Motive und welche Ziele dahinter stecken. Dann stößt man auf Differenzen.

domradio.de: Wie sieht es denn beispielsweise mit der Familienpolitik aus? Die Kirche vertritt konservative Werte, spricht sich für die traditionelle Familie und Lebensschutz aus. Das sind Werte, die auch von der AfD propagiert werden. Sollte man da doch zusammenkommen?

Heimbach-Steins: Die AfD vertritt ein traditionelles Familienbild. Das ist richtig. Sie nimmt kaum die Pluralität, die Vielfalt der Familienwirklichkeit wahr. Sie tritt auch für den Schutz des ungeborenen Lebens ein. Das ist richtig. An diesen Stellen scheint es Überschneidungen zum katholischen Familienverständnis zu geben.

Das ist ein typisches Beispiel für ein großes Aber. Wenn man den Rahmen anschaut, in dem die AfD ihre Familienpositionen vertritt, dann ist das ganz klar ein bevölkerungspolitischer Rahmen. Die AfD möchte Deutsche zur Familiengründung anregen, sie möchte deutsche Familien und Kinder fördern. Wenn man schaut, wie das in der Integrationspolitik, der Einwanderungspolitik und der Asylpolitik aussieht, dann erkennt man, dass es eine Engführung auf das Interesse an der deutschen Familie und der Förderung der deutschen Bevölkerung darstellt. Das ist wiederum etwas, das man mit der katholischen Soziallehre nicht vereinbaren kann. Diese ausschließende, abgrenzende Nutzung eines bestimmten Familienverständnisses passt überhaupt nicht zusammen. Insofern ist das ein typisches Beispiel für die Differenz zwischen Einzelaussagen und Grundprogrammatik.

domradio.de: Auf der anderen Seite gibt es durchaus Überschneidungen zwischen der AfD-Wählerschaft und gewissen christlich-konservativen Kreisen in der Gesellschaft. Wie geht das denn zusammen, wenn sich die Positionen inhaltlich gegenüberstehen?

Heimbach-Steins: Es gibt sicherlich Leute, die, weil sie in der AfD solche Positionen finden, davon ausgehen, dass sie da ihre Anliegen vertreten sehen. Genau aus solchen Gründen haben wir diese Studie gemacht, um ein bisschen tiefer zu bohren und hinter die Kulissen zu schauen und zu fragen, ob es denn wirklich zusammenpasst. Die grundlegende Erkenntnis unserer Untersuchung ist eben, dass man nicht bei Einzelaussagen stehenbleiben kann, wenn die Grundpositionen nicht stimmen und katholisch so nicht vertretbar erscheinen. Dann existiert da eine Spannung, die man bewusst machen muss. Genau dazu haben wir versucht, einen Beitrag zu leisten.

domradio.de: Im September wird der neue Bundestag in Deutschland gewählt. Kann man als Christ denn Ihre Studie als Wahlhilfe betrachten?

Heimbach-Steins: Wir mischen uns nicht in den Wahlkampf ein und geben auch keine Wahlempfehlung ab. Aber wir versuchen Menschen Material an die Hand zu geben, mit dem sie sich selber ihre Meinung bilden können und eine Unterscheidung vornehmen können, was christlich geht und was nicht. Damit ist man auf dem Weg, sich selbst ein Urteil zu bilden, ein bisschen besser ausgerüstet als ohne solche Unterstützungsmaßnahmen. Wir hoffen, dass das für viele Menschen hilfreich ist.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Hinweis: 

In einer auf Bitte und Anregung der Bevollmächtigten der katholischen Bischöfe gegenüber den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen angefertigten Vergleichsstudie hat sich ein ForscherInnen-Team des ICS und des Zentrums für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft, München mit dem Verhältnis parteipolitischer Positionen und Äußerungen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und der Katholischen Soziallehre beschäftigt.

Gegenstand der Untersuchung sind insbesondere das Grundsatz-, sowie das Bundestagswahlprogramm der Partei. Außerdem wird die Kommunikationsstrategie der Partei anhand einer Analyse ausgewählter Reden von ParteifunktonärInnen sowie ihrer Social Media-Strategie untersucht.


Quelle:
DR