Europa richtet seine Entwicklungspolitik neu aus

Sicherheit und Migration im Fokus

An diesem Mittwoch hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den neuen Entwicklungskonsens unterzeichnet. Sicherheit und Migration rücken in den Fokus der Entwicklungspolitik. Christliche Organisationen üben Kritik.

Autor/in:
Franziska Broich
Grenzzaun zwischen der Türkei und Bulgarien / © Vassil Donev (dpa)
Grenzzaun zwischen der Türkei und Bulgarien / © Vassil Donev ( dpa )

Vor zwölf Jahren hat die EU ihre Leitlinien für die Entwicklungszusammenarbeit zuletzt überarbeitet. Seither hat sich die Welt stark verändert. Der Klimawandel bedroht den Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen; terroristische Gruppen destabilisieren ganze Regionen, und fehlende Arbeitsplätze treiben viele in die Flucht.

Menschen, Wohlstand, der Planet, Frieden, Partnerschaft und Armutsbekämpfung stünden im Vordergrund der neuen Leitlinien, weiß ein Mitarbeiter der EU-Kommission, der den Konsens mitentwickelt hat.

Im Vorfeld wurden Nichtregierungsorganisationen und andere Akteure der Entwicklungszusammenarbeit konsultiert. Auch der internationale Dachverbands katholischer Hilfswerke CIDSE, der laut eigenen Angaben 10.000 Partnerorganisationen in mehr als 120 Ländern hat, beteiligte sich.

Das Hauptziel der europäischen Entwicklungszusammenarbeit müsse Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung bleiben - mit dem Menschen im Zentrum, sagt CIDSE-Referentin Jean Saldanha. Dabei sei es wichtig, dass sich die Bevölkerung einbringen könne und ihre Rechte respektiert würden.

Ein Ziel des neuen Entwicklungskonsenses ist es laut Kommission, die Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten effizienter zu machen. Zusammen sei man weltweit der größte Geber, so ein Sprecher der EU-Kommission. Doch häufig könne sowohl strategisch als auch bei der Umsetzung noch besser zusammengearbeitet werden.

Derzeit arbeiten Mitgliedstaaten und die EU bereits in 65 Ländern zusammen. Insgesamt hat die EU 140 Delegationen in Nicht-EU-Staaten.

"Wir brauchen einen Mindeststandard an Sicherheit"

Auch die Finanzierung verändere sich, heißt es in der Kommission. Es gebe immer häufiger eine Mischfinanzierungen aus Darlehen und Zuwendungen. Klar sei, dass für die Unterstützung der Entwicklungsländer weit mehr Geld benötigt werde als die vorgesehenen 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Deswegen setzt die EU-Kommission auf private Investitionen. Sie sollen die Lücke schließen. Im Herbst soll der externe Investitionsplan starten.

Mithilfe von Garantien sollen so 44 Milliarden Euro für Investitionen in Entwicklungsländern mobilisiert werden.

CIDSE-Referentin Saldanha fordert unterdessen eine Kehrtwende in der Handelspolitik der EU - und ein Ende von Investitionen in die industrielle Landwirtschaft. Um Hunger und Mangelernährung effektiv zu bekämpfen, sei es wichtig, an den Systemen der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion zu arbeiten, so Saldanha. Im Fokus müsse die lokale Landwirtschaft stehen; Verbraucher und Produzenten müssten zudem besser vernetzt werden.

Neu im Konsens ist die Rolle der Sicherheit. "Wir brauchen einen Mindeststandard an Sicherheit, um die Lebensbedingungen für die Menschen vor Ort verbessern zu können", heißt es in der Kommission.

Doch es gebe "rote Linien". Nicht finanziert würden Maßnahmen, bei denen Menschenrechte verletzt würden, heißt es in einem Papier der Kommission.

Es sei "unglücklich", dass Migrationskontrolle, Sicherheit und militärische Operationen ins Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit eingezogen seien, so Saldanha von CIDSE. Der Text hinterlasse den Eindruck, dass die Entwicklungszusammenarbeit zuallerst Europa diene. Die Chance, eine Transformation in den entsprechenden Ländern einzuleiten, werde vergeben.

Christliche Organisationen kritisieren Kommissionsvorschlag

Im Herbst 2016 kritisierten christliche Organisationen den Kommissionsvorschlag für ein "Instrument für Stabilität und Frieden".

Unter anderem sollen 25 Millionen Euro des Entwicklungshilfefonds für dieses Instrument umgewidmet werden, mit dem etwa die Ausstattung von militärischen Grenzkontrolleuren finanziert werden kann. Die Finanzierung von laufenden militärischen Ausgaben wie etwa der Kauf von Waffen ist jedoch ausgeschlossen. Der Entwicklungsausschuss des EU-Parlaments stimmt im Juli über den Bericht ab.

Ein Novum des Europäischen Entwicklungskonsenses ist auch die Überprüfung der eigenen Leitlinien. Alle vier Jahre soll es einen Bericht darüber geben, was erreicht wurde.


EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker  / © Gregor Fischer (dpa)
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
KNA