Journalist Michael Hertl zur amerikanischen Sicht auf Donald Trump

Ein gespaltenes Land

Seit vier Monaten ist US-Präsident Donald Trump im Amt - und die Liste der Aufreger ist lang. Warum in den USA die Meinungen über Trump nach wie vor gespalten sind, erklärt der katholische Journalist und USA-Kenner Michael Hertl gegenüber domradio.de. 

Donald Trump 100 Tage im Amt / © Andrew Harnik (dpa)
Donald Trump 100 Tage im Amt / © Andrew Harnik ( dpa )

domradio.de: Herr Hertl, Sie sind gerade selbst aus den USA zurückgekehrt. Die Frage, die sich viele bei uns in Deutschland stellen: Wird da anders über den Präsidenten gedacht, als das hier bei uns ist. Denn hier scheinen sich ja alle einig zu sein: Der macht einen schlechten Job, der muss weg.

Michael Hertl (katholischer Medienexperte, Journalist und USA-Kenner): In den USA sind sich gerade alle einig, dass man sich uneinig ist - also, dass das Land gespalten ist, dass es zwei Meinungen gibt. Die einen sind immer noch vollauf begeistert von ihm. Die anderen sind entsetzt und entschuldigen sich dafür, was da gerade passiert. Ich war vor allem an den Küsten unterwegs - im Westen und im Osten. Da denkt man eigentlich wie hier: Das kann gar nicht sein, was wir gerade miterleben. Da müssen wir irgenwie drüber hinwegkommen. 

domradio.de: Wir diskutieren ja viel über möglichen Amtsmissbrauch oder Trumps Haltung gegen Frauen und Ausländer. Da müsste man doch eigentlich denken: Ein aufgeklärter Mensch dürfte eine solche Politik doch gar nicht unterstützen, Was geht in den Köpfen der Menschen in den USA vor?

Hertl: Die Trump-Befürworter nehmen das eben nicht war. Die sehen Trump als einen von ihnen, obwohl er eigentlich als Multimilliardär keiner von ihnen ist. Sie sehen ihn aber als jemanden, der nicht aus dem Establishment kommt, der ja vorher kein Politiker gewesen ist. Einer, der Sachen anspricht, die durchaus auch richtig sind; also Seilschaften und Dinge, die man einfach schon immer so gemacht hat, die aber geändert werden müssen.

Diese positive Meinung von Trump haben vor allem diejenigen, die sich selbst in der bisherigen Politik nicht berücksichtigt fühlen: Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben - etwa im mittleren Westen, die sich nicht zu den Eliten zählen und die glauben, dass die Politik sie gar nicht beachtet. Diese Menschen haben jetzt in Donald Trump eine Figur gefunden, die ihnen das Blaue vom Himmel versprochen hat. Und jeden Wiederstand, den Trump jetzt erfährt, sehen diese Menschen als Bestätigung dafür: "Er hat den Sumpf angesprochen, er will ihn austrocknen.Und jetzt wehrt sich der Sumpf." Das ist deren Wahrnehmung. Und es ist sehr schwer, dagegen anzukommen. Man erkennt wirklich eine richtige Spaltung in der Gesellschaft.

domradio.de: Einer der großen Konflikte, der sich durchzieht, ist ja: Trump gegen die Medien. Gerade die linksgerichteten Medien haben ein großes Problem mit ihm. Er sagt hingegen: Die Medien sind unfair zu mir. Er spricht von der größten Hexenverfolgung auf einen Politiker in der amerikanischen Geschichte. Was ist das für ein Konflikt? 

Hertl: Man kann zum einen sagen: Er hat geschickt vorhergesehen, dass die Medien natürlich auch in gewisser Weise zu den bwährten Strukturen gehören, dass sie ihn kritisieren werden, weil er unkonventionell ist. Und deshalb hat er sie von vornherein einfach in eine Ecke gedrängt und gesagt: Sie erfinden ihre eigene Wahrheit und erschaffen falsche Nachrichten. Und jede Nachricht, die ihm jetzt nicht passt, ist automatisch Fake News.

Gleichzeitig gibt es im sehr medienstarken Amerika viel mehr Medien als bei uns, die natürlich in seine Richtung senden. Auf die kann er sich immer berufen. 

domradio.de: Wenn er von einer Hexenverfolgung durch die Medien spricht, ist das politisches Kalkül oder glaubt er selbst, was er da sagt?

Hertl: Das ist schwierig zu sagen. In seinen Kopf reinschauen kann ich auch nicht. Ich denke, er glaubt es bis zu einem gewissen Teil schon. Er ist schon sehr medienaffin. Aber er ist kein dummer Mann. Er hat natürlich auch einen gewissen Grips und setzt das politisch ein. Es ist eine Mischung aus beidem, würde ich sagen.

domradio.de: Schauen wir mal auf die Kirchen in den USA. Wenn man bei uns hier in Deutschland auf die Politik und die Kirche guckt, ist es so, dass die sich eigentlich nicht einmischt, aber gegen Populismus, etwa gegen die AfD, deutlich Stellung bezieht. In den USA hält sich die Kirche relativ zurück. Wie ist dieses Verhältnis einzuschätzen?

Hertl: Ich sehe dafür zwei Gründe. Zum einen gibt es in Amerika rechtliche Bestimmungen, dass sich in der Kirche  nicht politisch geäußert werden darf. Zum Beispiel dürfen keine Wahlempfehlungen abgegeben werden.

Und: Auch die Kirche ist gespalten. Die Katholiken haben mit knapper Mehrheit für Trump gestimmt. Aber fast die Hälfte war auch gegen ihn. Und auch unter den Bischöfen gibt es eine ziemliche Uneinigkeit. Das heißt, eine gemeinsame Stimme wird man da nicht warten können. Es gibt einige wenige Bischöfe wie den Erzbischof von Los Angeles, José Horacio Gómez, der ganz eindeutig sagt: Das geht nicht, was Trump dort macht - etwa mit Blick auf Einwanderer. Es gibt einige wenige, die ihre Stimme erheben, aber es gibt eben keine eindeutige gemeinsame Meinung. Und deswegen hört man die bei uns auch nicht. 

domradio.de: Jetzt steht die erste Auslandsreise von Trump an - in den Nahen Osten, nach Israel und unter anderem in den Vatikan. Das sind alles Regionen, in denen die Religion eine relativ große Rolle spielt. Am Mittwoch treffen Trump und Papst Franziskus aufeinander. Welche Rolle spielt das Treffen für ihn?  Ist der Papst wirklich eine wichtige Glaubensfigur für ihn oder geht es ihm darum: Ich treffe jetzt einen wichtigen Menschen? 

Hertl: Ich glaube, eher letzteres. Er ist ja nicht katholisch. Seine Frau ist wohl katholisch, für die wird das Treffen in der Glaubenshinsicht wichtiger sein als für ihn. Für Trump ist es eine Bestätigung: Ein wichtiger- vielleicht DER wichtigste - Glaubensführer der Welt hat Zeit für mich. Das die beiden nicht einer Meinung sind, weiß man ja auch - weder bei der Migrationsthematik noch bei der Wohlstandsverteilung oder beim Umweltschutz. Ein Punkt ist vielleicht, dass beide gegen Abtreibung sind. Bei Trump ist es zumindest nominell so.

Es wird also wenig Gemeinsamkeiten geben, die man findet. Und was sie genau besprechen, wird ja auch nicht öffentlich werden. Also, das Ganze ist aus Trumps Sicht eher eine Show, während der Papst, denke ich, schon glaubt, dass er bei den wenigen Gemeinsamkeiten anfangen und kleine Brücken bauen kann. Er ist ja ein Netzwerker, ein Beziehungsmensch. Er verspricht sich, glaube ich, dadurch den Anfang eines Dialoges. Ob er damit bei Trump ankommt, kann ich nicht sagen. Ich schätze es eher nicht so ein. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


USA-Kenner und Journalist Michael Hertl (privat)
USA-Kenner und Journalist Michael Hertl / ( privat )

Franziskus und Trump auf einem Graffito in Rom / © Alessandro Serranò (KNA)
Franziskus und Trump auf einem Graffito in Rom / © Alessandro Serranò ( KNA )
Quelle:
DR