Merkel und Macron - das neue Traumpaar Europas?

Ghostbuster der Geschichte

Heute besucht Frankreichs frisch vereidigter Präsident Macron Kanzlerin Merkel in Berlin. Es hätte auch Marine Le Pen sein können. Erleichterung bedeutet jedoch noch nicht Unbeschwertheit.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Heute besucht Macron Merkel in Berlin.  / © Kay Nietfeld (dpa)
Heute besucht Macron Merkel in Berlin. / © Kay Nietfeld ( dpa )

Die gute Nachricht: Die deutsch-französische Achse in Europa bleibt intakt. Um das zu betonen, macht Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron am Montag traditionell seinen ersten Auslandsbesuch bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Es hätte schließlich auch Marine Le Pen sein können. Die hatte im Wahlkampf gehöhnt, Frankreich werde am Ende "so oder so von einer Frau regiert - entweder von mir oder von Frau Merkel".

Keine Unbeschwertheit

Die Erleichterung über ihre Niederlage bedeutet jedoch noch nicht Unbeschwertheit. Zu groß sind derzeit die Probleme in der EU; und zu unbekannt ist noch Macron, der 39-jährige Banker und Eliteschüler. Politisch eine Katze im Sack; eine europafreundliche immerhin.

Die Kanzlerin wird froh sein, nun einem anderen Präsidenten Frankreichs die Hand reichen zu können als dem Sozialisten Francois Hollande; jenem glücklosen Mann von La Mancha, bei dem es schon zu regnen schien, sobald er überhaupt seinen Fuß vor die Tür setzte. Hollande ist es zu keiner Zeit gelungen, die Lokomotive Frankreich wieder flott zu machen - auch weil sich seine Landsleute bei jedem ernsthaften Reformversuch die Jakobinermütze aufsetzten und Autobahnen und Straßen verbarrikadierten.

Am Scheideweg der europäischen Einigung

Macron und Merkel: Dort stehen sie - sie können nicht anders. Am Scheideweg der europäischen Einigung muss historische Symbolik einmal mehr jene Einigkeit beschwören, die in sechs Jahrzehnten zwischen den beiden früheren Erbfeinden entstanden ist.

Wie damals nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier Charles de Gaulle (1890-1970), Kopf der "Resistance" und Exil-Führer des "Freien Frankreich". Er gab der 1940 überrannten Nation das lebenswichtige Gefühl, alle Franzosen seien Widerständler gewesen: Kollaborateure und Antisemiten ebenso wie jene, die tatsächlich im besetzten und im unbesetzten Frankreich gegen Nazi-Deutschland arbeiteten.

Dunkle Vergangenheit

Auf der anderen Seite Konrad Adenauer (1876-1967), NS-verfolgter Ex-Bürgermeister von Köln und erster Bundeskanzler. Er versuchte, dem "Tätervolk" ein Gefühl kollektiven Fehlgeleitetseins zu vermitteln, um so einen Neuanfang in einem neuen politischen Geist zu ermöglichen - eine "Stunde Null".

Beide Alphatiere sprangen über die dunklen Schatten der Vergangenheit, indem sie gegen die über Generationen vermittelte "Erbfeindschaft" anredeten. Die Montan-Union von 1951, die Römischen Verträge von 1957 und die Elysee-Verträge von 1963 eröffneten eine historische Chance zur Versöhnung.

Eine neue Generation am Ruder

Und die Sache lief gut: Deutsche nannten ihre Töchter plötzlich "Natalie", Franzosen nannten die Deutschen seltener "boches" (Schweine) als früher. Romy Schneider und Alain Delon, Gauloises, Daniel Cohn-Bendit und die Studentenrevolten hüben wie drüben: Eine neue Generation übernahm das Ruder.

Die Handreichung zwischen den Staatschefs beider Länder ist seitdem fast schon ein Topos geworden. De Gaulle und Adenauer, die 1962 in Frankreichs Krönungskathedrale in Reims gemeinsam eine Messe besuchten. Helmut Kohl und Francois Mitterrand 1984 auf den einstigen Schlachtfeldern von Verdun. 2012 - zum 50. Jahrestag der Geste von 1962, wieder in Reims - Hollande und Merkel. Schon damals war das mehr als bloße Geschichtspflege: Es gab Feuer unterm Dach der EU-Finanz- und Währungsunion. Und, 2016, wieder in Verdun, wieder Merkel und Hollande.

Europäische Überzeugungskraft gefordert

Angesichts der andauernden Flüchtlingskrise, eines drohenden schmutzigen Brexits, angesichts von Populismus und Nationalismus, der Egotrips von Polen und Ungarn, angesichts der aktuellen Regierungskrisen in Österreich und Tschechien und diverser weiterer Mitgliedstaaten mit massiven Finanz- oder Disziplinproblemen, müssen Macron und Merkel die EU-Europäer neu überzeugen, warum ihr gemeinsames Projekt nicht scheitern darf.

Dabei dürften sie selbst keineswegs immer einig sein in der Bewertung, welcher Weg aus der Krise führen kann - siehe europäischer Finanzminister. Die beiden "Big M's" stehen unter buchstäblichem Zugzwang für Europa. Wird ihr Treffen an diesem Montag seine symbolische Wirkung entfalten - oder verpufft es? All das scheint schon so oft dagewesen.


Quelle:
KNA