Armenisches Völkermord-Mahnmal in Köln

"Es gehört in die Stadtmitte"

Vor 102 Jahren begann der Völkermord an den Armeniern. Nach langen Diskussionen wurde Mitte März die Aufstellung einer Gedenkstele auf dem armenischen Friedhof in Köln-Brück genehmigt. Doch rundum zufrieden sind längst nicht alle damit.

Gedenken an Opfer des Völkermordes / © Sedat Suna (dpa)
Gedenken an Opfer des Völkermordes / © Sedat Suna ( dpa )

domradio.de: Wie sieht diese Gedenkstele aus?

Ilias Uyar (Mitglied der armenischen Gemeinde in Köln, Anwalt und Menschenrechtler): Es ist ein kunstvoll gearbeiteter Kreuzstein aus rotem armenischen Tuff, der typisch für die armenische Tradition ist.

domradio.de: Diese Gedenkstele darf jetzt nach fünf Jahren Diskussionen in Köln aufgestellt werden. Aber Sie sind nicht einverstanden mit dem Ratsbeschluss. Warum nicht?

Uyar: Ich bin schon einverstanden, dass es in Köln ein Mahnmal zum Gedenken an den Genozid gibt, aber ich bin nicht mit der Auswahl des Ortes einverstanden. Denn ein Friedhof ist nicht der geeignete Platz, um an den Völkermord zu erinnern. Es muss ein Ort gefunden werden, der von lebendigen Menschen wahrgenommen werden kann und nicht von den Toten.

domradio.de: Also es soll ein Ort sein, wo auch Schulklassen und Gruppen hinkommen würden?

Uyar: Ja, es muss im Stadtzentrum sein, also im öffentlichen Raum. Der Genozid ist nicht einfach nur ein historisches Ereignis in der mesopotamischen Wüste, sondern er ist Teil der europäischen Kultur und gehört in die Innenstädte Europas. Weltweit sind die Armenier darauf bedacht, Kreuzsteine aufzustellen, um ihrer Toten zu gedenken und auch als Mahnung an die Lebenden, dass so etwas nie wieder passieren darf. Deshalb werden die Mahnmale auch an möglichst stark frequentierten und öffentlichen Plätzen aufgestellt.

domradio.de: Und ist die armenische Gemeinde für den Standort Köln-Brück?

Uyar: Leider hat der Vorstand der armenischen Gemeinde diesen Antrag eingebracht, dass elf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt auf dem armenischen Feld des Friedhofs Köln-Brück, den nur Armenier besuchen, das Mahnmal aufgestellt wird.

domradio.de: Stehen Sie mit Ihrer Kritik alleine da?

Uyar: Es gibt viele Menschen, auch in Köln und nicht nur Armenier, die sagen, ein Mahnmal, das an den Genozid an den Armeniern erinnert, muss auf einem öffentlichen Platz aufgestellt werden. Jetzt hat der Vorstand der armenischen Gemeinde diesen Beschluss gefasst, aber das heißt nicht, dass nicht auch noch weitere Erinnerungsmöglichkeiten in der Innenstadt realisierbar wären.

domradio.de: Warum haben sich die Kölner Politiker so schwer getan und fünf Jahre für die Genehmigung des Mahnmals gebraucht, obwohl sie ja den Völkermord an den Armeniern anerkennen?

Uyar: Der Druck von vielen türkischen und aserbaidschanischen Verbänden in Köln ist sehr stark. Auch der türkische Konsul hat sehr stark interveniert, um ein Mahnmal in Köln zu verhindern. Ebenfalls Vereine, die im Integrationsrat sitzen, sind dagegen, weil sie die Leugnungsstrategie aus Ankara verfolgen. Das hat in der Kölner Politik starken Eindruck gemacht.

domradio.de: Und woher kam dann der Gesinnungswechsel?

Uyar: Ich glaube, dass die Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages (02.06.16) eine positive Wirkung hatte. Und ich denke, dass sich die deutschen Politiker und die deutsche Gesellschaft mittlerweile die Deutung der Geschichte von Ankara nicht mehr vorschreiben lassen.  

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR