Anschlag in der Nähe des Katharinenklosters auf dem Sinai

"Mini-Attentat" aber gefährliche Gegend

Bei einem Anschlag auf dem Weg zum Katharinenkloster auf der Sinai-Halbinsel in Ägypten wurde Dienstag ein Polizist getötet und mindestens drei weitere Beamte verletzt. Stefan Kempis von Radio Vatikan im domradio.de-Interview.

Anschlag auf der Sinai-Halbinsel / © Foaad Gharnousi (dpa)
Anschlag auf der Sinai-Halbinsel / © Foaad Gharnousi ( dpa )

Der Sprecher des Klosters, Vater Gregorius, sagte: Die Mönche seien in Sicherheit und hätten von dem Zwischenfall nichts mitbekommen. Als Hintergrund muss man wissen, dass das griechisch-orthodoxe Katharinenkloster im 6. Jahrhundert auf 1500 Metern Höhe am Fuß des Mosesbergs gegründet wurde und als das älteste noch bewohnte christliche Kloster der Welt gilt. Stefan Kempis, stellvertretender Leiter von Radio Vatikan, kennt sowohl das Katharinenkloster als auch Ägypten ganz gut.

domradio.de: Der Sinai ist ja schon seit einiger Zeit Rückzugsort des sogenannten Islamischen Staates. Ist das jetzt der erste Anschlag auf das Katharinenkloster?

Stefan Kempis (Stellvertretender Leiter von Radio Vatikan): Das Katharinenkloster hat eine wilde, bewegte Geschichte mit sehr vielen Überfällen. Es gab auch in den letzten Jahren Überfälle durch bewaffnete muslimische Banden und Gruppen. Das hat es immer wieder mal gegeben. Man muss diese neuen Vorfälle auch relativieren. Das war nicht ISIS, die da in der Nacht über die Klostermauer geklettert sind und Mönche enthauptet haben. Es sind zwei Leute auf einem Motorrad gewesen, die rund um das Kloster in die Berge gefahren sind. Die haben auf einen Polizeiposten an der Straße zum Kloster gezielt und geschossen. Es ist also kein Wunder, dass die Mönche davon nichts mitbekommen haben.

Das ist auch nicht der IS, der auf dem Sinai sein Unwesen treibt, sondern es ist eine lokale Gangster-Gruppe, die vor ein paar Jahren allerdings dem IS gegenüber Treue geschworen hat. Darum ist da schon seit 2014 der Ausnahmezustand im Vergleich zum gesamten Land, wo es erst kürzlich nach einem Anschlag in Alexandria auf Kopten gegeben hat. Im Vergleich dazu ist es ein Mini-Attentat. Bei allem, was da auf dem Sinai passiert und zwar täglich, ist es nur dem bevorstehenden Papstbesuch zu verdanken, dass die Nachricht überhaupt Erwähnung findet.

domradio.de: Warum ist denn das Katharinenkloster so ein dankbares Angriffsziel für Islamisten?

Kempis: Es liegt total isoliert und ohne große Bewachung. Gar nicht so weit entfernt liegt der Gazastreifen. Von da kommen natürlich auch Waffen in die andere Richtung herüber, wie in den Gazastreifen aus Ägypten hinein. Beduinen ziehen hin und her. Auch wenn Israel seine Grenze wegen Bedrohungen geschlossen hat, transportieren die sehr viel übles Zeug auf ihren Tieren hin und zurück. Weiter nördlich, oberhalb des Katharinenklosters auf der Sinai-Halbinsel, ist der islamische Terrorismus, eben diese Gangster-Banden, aktiv.

In der Nähe des Katharinenklosters gibt es ebenfalls Beduinengruppen. Das sind Beduinen, die Flüchtlinge, die da durchmarschieren, abgreifen, furchtbar foltern, ohne dass das jemals in die Nachrichten kommt. Die versuchen Lösegeld von Angehörigen in Eritrea oder im Sudan zu erpressen. Der Sinai ist bei weitem nicht mehr der schöne Ort, wo man meditativ durch die Wüste laufen kann, wie noch vor 10 Jahren. Die Lage dort ist total gefährlich geworden und das hat jetzt das Katharinenkloster mal wieder ein bisschen am Rande tangiert. Mehr ist das eigentlich nicht.

domradio.de: Ist das Katharinenkloster ausschließlich ein Pilgerziel für Christen oder kommen da auch noch andere Leute hin?

Kempis: Es ist natürlich ein orthodoxes Kloster, aber es hat in seinen Mauern den brennenden Dornenbusch, den Mosesbusch. Und der ist tatsächlich auch ein Pilgerziel von Muslimen. Auch wenn man immer hört, es sei ein Pilgerziel aller drei großen Weltreligionen, kann man die Juden, die dahin kommen, an einer Hand abzählen. Für die ist das natürlich auch sehr gefährlich, über die Grenze von Israel auf den Sinai zu kommen.

domradio.de: Ende April will Papst Franziskus Ägypten  besuchen, den Christen, den Kopten vor Ort Mut machen und den christlich-islamischen Dialog unterstützen. Werden ihn solche Attentate von seinen Reiseplänen abbringen können?

Kempis: Das Attentat auf eine Polizeistation in der Nähe des Katharinenklosters wird ihn sicher nicht abhalten. Man muss nur mal auf die Karte gucken, um zu sehen, wie hunderte Kilometer zwischen dem Sinai und Kairo liegen. Die Hauptstadt, in der der Papst sich aufhalten wird, ist überhaupt nicht tangiert. Man hätte sich aber schon denken können, dass der Papst doch noch mal überlegt, ob jetzt der richtige Moment ist um nach Ägypten zu reisen. Zuvor gab es ausgerechnet am Palmsonntag einen Anschlag auf koptische Christen mit 46 Toten.

Dass er auf den Spuren Jesu auch mal nach Ägypten fahren sollte, ist überhaupt kein Thema, und dass er den Dialog mit der Al-Azhar-Universität suchen sollte, das ist klar. Mir scheint der Zeitpunkt aber doch sehr unsicher, gerade da die Christen dort immer stärker ins Visier rücken. Der Papst hält daran fest, er ist ja auch ein Sturkopf unter uns gesagt. Aber ich bin ganz ehrlich froh, dass ich diesmal nicht mit auf der Liste für seine Begleitung stehe. Ich liebe Kairo, aber jetzt im Moment wird das für den Papst, der dort die Pfeile und viel mehr als Pfeile auf sich zieht, ein sehr ungemütlicher Ort werden.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR