Nach Anschlag auf koptische Kirchen: Ausnahmezustand in Ägypten verhängt

Angriff auf den interreligiösen Dialog

Ägyptens autoritärer Präsident Al-Sisi will nach den tödlichen Anschlägen auf Christen durchgreifen. Die Bluttaten seien ein Angriff auf den interreligiösen Dialog, hieß es seitens des Vatikans.

Anschlag auf die Kirche St. Georg in Tanta (Ägypten) / © Nariman El-Mofty (dpa)
Anschlag auf die Kirche St. Georg in Tanta (Ägypten) / © Nariman El-Mofty ( dpa )

Die Anschläge in Ägypten hat ein hoher Vertreter des vatikanischen Staatssekretariats als Angriff auf den interreligiösen Dialog gewertet. Die Bluttaten seien "leider offensichtlich" so zu lesen, sagte Kurienerzbischof Giovanni Angelo Becciu, Leiter der Sektion für die Allgemeinen Angelegenheiten im Staatssekretariat, der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montag). Zugleich handle es sich wohl um eine "indirekte Botschaft" an die ägyptische Regierung, die den Christen mehr Freiheiten eingeräumt habe.

Becciu relativierte zugleich Sicherheitsbedenken mit Blick auf den Ende April geplanten Besuch von Papst Franziskus in Kairo. Auch bei früheren Reisen habe es Fragen hinsichtlich der Sicherheit oder Befürchtungen von Attentaten gegeben, etwa in der Zentralafrikanischen Republik. Ägypten habe eine bestmögliche Vorbereitung zugesichert. "Wir fahren entspannt", sagte Becciu.

Anerkennung von Muslimen

Der Kurienerzbischof betonte, Papst Franziskus habe vom ersten Erscheinen des "Islamischen Staats" an zwischen den Terrorakten von Fanatikern und der islamischen Religion an sich unterschieden. "Er hat sich immer geweigert, den Islam als solchen mit Terrorismus zu assoziieren", sagte Becciu. Das habe dem Papst die Anerkennung von Muslimen eingetragen.

Nach den verheerenden Anschlägen in Ägypten hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi am Sonntag für die nächsten drei Monate den Ausnahmezustand angekündigt. In einer Fernsehansprache am Abend erklärte Al-Sisi, dieser werde in Kraft treten, sobald die verfassungsrechtlichen Maßnahmen "vervollständigt seien". Dazu gehört auch die Zustimmung des Parlaments.

In den vergangenen Jahren war nach Gewaltausbrüchen wiederholt der Ausnahmezustand in Ägypten oder Teilen des Landes ausgerufen worden. Dies war verbunden mit der Möglichkeit von Festnahmen ohne Haftbefehl und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung sowie nächtlichen Ausgangssperren.

Einfacher gegen Extremisten vorgehen

Erweiterte Befugnisse sollen den Sicherheitskräften das Vorgehen gegen Extremisten vereinfachen. Allerdings haben diese in Ägypten auch schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt oftmals freie Hand, was durch vielfach schwammig formulierte Gesetze bedingt ist.

Am Sonntag waren bei den schwersten Terrorangriffen auf die christliche Minderheit in Ägypten seit Jahren mehr als 40 Menschen getötet und 110 verletzt worden. Selbstmordattentäter hatten Anschläge auf zwei koptische Kirchen im Norden des Landes verübt. Die Terrormiliz IS reklamierte die Taten für sich und drohte mit neuer Gewalt gegen Christen. Koptische Christen protestierten gegen die Regierung, weil sie sich nicht gut genug geschützt fühlen.

Lange und schmerzhafte Auseinandersetzung

"Dies passiert nur, um unser Land zu beschützen", sagte Al-Sisi am Sonntagabend zu den angekündigten Maßnahmen. Die Auseinandersetzung mit den Terroristen werde lang und schmerzhaft sein. Er warf anderen Ländern vor, den Terrorismus in Ägypten zu unterstützen - nannte aber kein bestimmtes Land. Al-Sisi kündigte zudem eine neue Ermittlungsbehörde an, den "Obersten Rat zur Bekämpfung von Terror und Extremismus".

Zuvor hatte der Präsident bereits der Armee befohlen, wichtige Gebäude des Landes zu schützen. Damit solle die Polizei unterstützt werden, berichtete das staatliche Fernsehen. Das Militär spielt in Ägypten eine sehr wichtige Rolle und und war bereits vor den Anschlägen vom Sonntag allgegenwärtig in der Öffentlichkeit.

Angriffe angekündigt

Der IS, dessen Ableger im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel aktiv ist, hatte zuletzt Angriffe auf Christen angekündigt. Diese machen in Ägypten zehn Prozent der etwa 94 Millionen Einwohner aus. Sie können ihre Religion weitgehend frei ausüben und leben überwiegend friedlich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit zusammen. Es gibt allerdings Spannungen, vor allem in den ländlichen Gebieten.

Mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 hatten die Angriffe auf Christen in dem Land zeitweise zugenommen. Unter Mursis Nachfolger Al-Sisi beruhigte sich die Lage wieder etwas.

Zerstörung der Nation

Die koptische Kirche erklärte: "Wir beten zu Gott, dass die Verletzten geheilt werden und dass Ägypten und all seine Bürger von weiteren Attacken des Hasses verschont bleiben." Diese Angriffe zielten auf die Zerstörung der Nation und ihrer Menschen, die gemeinsam das großartige Erbe Ägyptens ausmachten.

Die Vereinten Nationen verurteilten die verheerenden Anschläge scharf. Es handele sich um abscheuliche und feige Terrorattacken, erklärte der UN-Sicherheitsrat am Sonntag (Ortszeit) in New York. Anschläge wie in Ägypten seien eine der ernsthaftesten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Der Rat forderte, die Täter und ihre Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen.

Gewalt hat keine Religion

Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) hat die Anschläge auf Christen in Ägypten scharf verurteilt. "Wir sind tief betroffen und im Herzen bei den Opfern der fürchterlichen Anschläge in Tanta und Alexandria", erklärte der Vorsitzende Kemal Ergün am Sonntagabend in Köln. Die Schreckensmeldungen machten fassungslos.

"Für Gewalttaten dieser Art, bei der unschuldige Menschen ums Leben kommen und verletzt werden, gibt es keine Legitimation - weder im Diesseits, noch im Jenseits", sagte Ergün. "Wer Gotteshäuser angreift, greift das universelle Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit als Ganzes an - und damit alle Gläubigen. Gewalt und Terror haben keine Religion."


Anschlag auf Kirche in Ägypten / © Egyptian Interior Ministry/Egyptian Interior Ministry/AP/ (dpa)
Anschlag auf Kirche in Ägypten / © Egyptian Interior Ministry/Egyptian Interior Ministry/AP/ ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , epd