Untersuchungshaft für Deniz Yücel

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein Problem

Der Journalist Christian Feiland lebt und arbeitet seit 20 Jahren in der Türkei. Besonders Journalisten mit deutsch-türkischem Pass sind in Gefahr. Er sieht im Fall Yücel auch ein Versagen der C-Parteien.

Der Journalist und Kameramann Christian Feiland mit Cumhuriyet Chefredakteur Can Dündar (Frame34)
Der Journalist und Kameramann Christian Feiland mit Cumhuriyet Chefredakteur Can Dündar / ( Frame34 )

domradio.de: Reporter ohne Grenzen sieht in dem Fall Yücel "eine neue Qualität der Verfolgung". Sie auch?

Christian Feiland (TV-Journalist und Produzent): Ja, ich persönlich habe fest damit gerechnet, dass er aus der Haft entlassen wird und das Verfahren gegen ihn auf freiem Fuß weitergeführt wird. Es war eine große Überraschung, dass er in Untersuchungshaft geschickt worden ist, angesichts dessen, dass er ein deutscher Journalist ist. Andererseits hat er auch einen türkischen Pass und ist für die Türken nicht Deutscher, sondern nur Türke: In Anbetracht dessen ist die Entscheidung des Gerichts widerum nicht überraschend.

domradio.de: Was macht den Unterschied?

Das einzige, was man kritisch sehen muss, ist dass eine Redaktion jemanden in die Türkei schickt, der die doppelte Staatsbürgerschaft hat. Ich habe schon seit längerem die Chance, einen türkischen Pass zu bekommen. Aber ich habe die türkische Staatsbürgerschaft absichtlich nicht angenommen und quäle mich lieber durch die Bürokratie für eine Arbeitsgenehmigung, weil ich die doppelte Staatsbürgerschaft nicht will. Denn dann bin ich hier nur noch ein Türke und dann kann mir keine deutsche Regierung mehr helfen.

domradio.de: War es naiv von ihm, sich der türkischen Justiz freiwillig zu stellen?

Feiland: Er hatte ja keine andere Wahl. Es ist ein Zeichen der Kooperation, wenn man freiwillig zur Polizei geht und eine Aussage machen möchte. Dass die türkischen Behörden dann noch von Fluchtgefahr ausgehen, das war so nicht vorhersehbar, da sind wir alle überrascht. 

domradio.de: Sie kennen Deniz Yücel. Er scheint ein sehr mutiger Journalist zu sein …

Feiland: Ja, er ist ein mutiger Mann. Er ist schon vorher öfter auf dem Radar der türkischen Medien erschienen. In den Schlagzeilen wurde er schon mal als Vaterlandsverräter beschrieben. Er war also bekannt und hat seinenJob immer weiter gemacht. Inwiefern es mutig ist oder nicht, seinen Job weiter korrekt auszuführen, das muss jeder selbst entscheiden. Aber er hat seinen Job korrekt gemacht, seine Texte sind journalistisch völlig korrekt gewesen.   

domradio.de: Sie arbeiten seit 20 Jahren als Journalist. Wie gefährlich ist es für Sie in der Türkei diesen Beruf korrekt, wie Sie sagen, auszuüben?

Feiland: Ich arbeite nicht mehr für türkische Medien, insofern hab ich dahingehend keine Probleme. Aber gerade seit dem Putschversuch ist es für ausländische Medien immer schlimmer geworden; auch für mich. Es wird viel gehetzt, indem gesagt wird, dass die Deutschen oder internationalen Medien das alles prokrestieren, die Türkei nur schlecht machen wollen; das hört und spürt man immer mehr. Wenn wir mit der Kamera auf der Straße rumlaufen und Windschutz von deutschen Sendern haben, dann hören wir immer wieder die Menschen um uns herum flüstern: "Sind das deutsche Spione? Sind das Agenten?" Einer ist mir sogar einmal an die Gurgel gegangen und hat mich als Lügner beschimpft. Das ist sehr unangenehm.

domradio.de: Sie machen trotzdem weiter, wie es auch Deniz Yücel gemacht hat. Sehen Sie eine Chance, dass er frei kommt?

Feiland: Nicht nur Deniz Yücel sitzt im Gefängnis, sondern auch sehr viele türkische Journalisten. So schlimm der Fall Yücel ist, man darf die ganzen türkischen Journalisten nicht vergessen, die wirklich mutig sind: Die haben nämlich keine deutsche Regierung, die sie im Hintergrund unterstützen, die haben keine finanzkräftige Redaktion, die hinter ihnen steht. Von den mehr als 150 türkischen Journalisten sind auch viele wieder freigekommen - wie Can Dündar, der wohl bekannteste Fall in Deutschland. Auch er saß an die drei Monate im Gefängnis und ist dann auf freien Fuß gelassen worden, während das Verfahren weiter lief. Diese Hoffnung wird es auch für Deniz Yücel geben. 

domradio.de: Wie sehen Sie die Rolle der deutschen Regierung?

Feiland: Ich bin so enttäuscht. Ich finde die deutschen Grundwerte sind verraten worden, als Bundeskanzlerin Merkel auf Erdogans goldenem Thron zehn Tage vor den Wahlen saß und diesen Flüchtlingsdeal ausgehandelt hat. Und da gab es schon das große Problem mit der Pressefreiheit und den Menschenrechten in der Türkei. Da war ich stinksauer. Hauptsache die eigene Haut retten, der Rest ist egal. Einfach Augen zu und durch. Egal was mit den Menschen ist, egal in welchem traurigen Zustand sich die Menschenrechts- und Pressefreiheitssituation befindet: Hauptsache, die Flüchtlinge kommen nicht. Insofern glaube ich, dass die Regierung jetzt endlich Druck von der Öffentlichkeit bekommt. Ich halte das Verhalten der Regierung in der Angelegenheit für sehr peinlich. Ich fühle mich verraten und auch die türkische Opposition hier fühlt sich verraten. Ich frage mich bei der CDU – wo bleiben da die Werte des C’s?

Das Interview führte Birgitt Schippers


Quelle:
DR