Erneute Appelle im Fall Yücel

"Haltlose" Vorwürfe

Deniz Yücel muss in Untersuchungshaft: Das hat am Montagabend ein türkischer Richter in Istanbul entschieden. Dem deutsch-türkische Korrespondenten werden "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung" vorgeworfen.

Der deutsche Journalist Deniz Yücel (43) sitzt in der Türkei in U-Haft. / © privat/Deniz Yücel (dpa)
Der deutsche Journalist Deniz Yücel (43) sitzt in der Türkei in U-Haft. / © privat/Deniz Yücel ( dpa )

Die Debatte über den in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel dauert an. Nachdem Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet worden war, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, dass er diese Entscheidung der Justiz für einen Skandal halte. Die Vorwürfe seien haltlos. Dahinter stecke eine "eindeutige politische Botschaft". Dieser Fall könne die angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei belasten.

Bereits am Montagabend hatten sich deutsche Spitzenpolitiker und die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisch geäußert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Nachricht "bitter und enttäuschend". Die Maßnahme sei "unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat".

Mahnende Worte von der Regierung

Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz "den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft berücksichtigt". Die Bundesregierung werde sich "weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt".

Ähnlich äußerte sich Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Er nannte die Verhängung der Untersuchungshaft "eine viel zu harte und deshalb auch unangemessene Entscheidung". Es seien "dramatische Zeiten für die Türkei, es sind auch schwierige Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen".

Kritik von Reporter ohne Grenzen

Reporter ohne Grenzen forderte die Freilassung von Yücel und anderen in der Türkei inhaftierten Journalisten. "Die Vorstellung ist unerträglich, dass ein Journalist monate- oder gar jahrelang in Untersuchungshaft einem ungewissen Schicksal entgegensehen muss, nur weil er seine Arbeit ernst genommen hat", erklärte Geschäftsführer Christian Mihr. Die gegen Yücel erhobenen Vorwürfe seien "absurd".

Dass ein Korrespondent "einer namhaften ausländischen Redaktion" sich gegen solche Anschuldigungen wehren müsse, sei "eine neue Qualität der Verfolgung, die deutlich über die bisherigen Schikanen wie Einreisesperren oder verweigerte Akkreditierungen" hinausgehe.

150 Journalisten in der Türkei inhaftiert

Mihr verwies darauf, dass die Türkei auf Platz 151 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liege. Aktuelle seien in dem Land rund 150 Journalisten im Gefängnis. Mindestens 49 seien im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit in Haft. In Dutzenden weiteren Fällen sei ein solcher Zusammenhang wahrscheinlich.

Bei SWR Aktuell sagte Mihr am Dienstag, dass Merkel inne halten und die Beziehungen zur Türkei überdenken müsse. Yücel ist der erste deutsche Journalist, der seit Verhängung des Ausnahmezustandes in der Türkei in Polizeigewahrsam genommen wurde. Seinen Anwälten wurde gesagt, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt werde. Der 43-Jährige besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft.


Der Türkei-Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel (43) / © Karlheinz Schindler (dpa)
Der Türkei-Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel (43) / © Karlheinz Schindler ( dpa )
Quelle:
KNA