Leipziger Pater zum Mauerbau heute und damals

"Das geht immer schief"

Die Mauerbau-Pläne von Trump erinnern auch an die Mauer an der deutsch-deutschen Grenze. Pater Bernhard Venzke predigte 1989 in der Nikolaikirche in Leipzig - und erinnert sich bei domradio.de an die Zeit.

Grenze zwischen Mexiko und den USA  / © Gregory Bull (dpa)
Grenze zwischen Mexiko und den USA / © Gregory Bull ( dpa )

domradio.de: Der Vergleich zum Kalten Krieg und der Mauer in Berlin liegt im Moment vielen auf der Zunge. Ist da was dran oder hinkt der Vergleich?

Pater Bernhard Venzke: Es geht auf jeden Fall um eine große Gefahr für die Menschlichkeit. Ich denke, solche Mauern errichten Menschen immer aus Angst. Ich habe den Eindruck - auch wenn Trump so mächtig erscheint - , dass er wohl doch ganz schön viel Angst vor Veränderungen hat. Das ist natürlich wahnwitzig, wenn Menschen zwischeneinander Mauern bauen, um sich abzuschotten oder andere auszugrenzen. Das geht immer schief - jedenfalls auf Dauer.

domradio.de: Nehmen Sie uns mal mit zurück in die DDR-Zeit. Was macht so eine Mauer mit den Menschen?

Pater Venzke: Das fühlt sich natürlich doof an. Aber ich bin ja direkt am Grenzstreifen geboren, dann gehört die Mauer irgendwie zum Leben dazu. Aber mit der Zeit - wenn das Denken einsetzt - macht es vor allem einfallsreich. Mauern können ja überwunden oder untergraben werden. Da gibt es viele Möglichkeiten. Wir wissen ja auch aus Berlin, dass es Tunnel und Gänge gab. Wenn man Mauern nur von Innen betrachtet, dann stellt man fest: Da gibt es ja noch ganz viele Möglichkeiten für mich. Wenn man sie nur von Außen betrachtet, stellt man nur fest, was man alles nicht mehr kann. Wir haben uns dann für die Überwindung entschieden.

domradio.de: Die beginnt ja auch im Kopf.

Pater Venzke: Das endet auch wieder im Kopf. Wenn wir Mauern nur einreißen, um sie wegzuhaben, richten sie sich wieder von innen auf – in den Köpfen. Wenn wir sie allerdings überwinden - wie es ja auch in der Heiligen Schrift heißt: Mit meinem Gott überspringe ich Mauern - dann kann das funktionieren. Aber das Überwinden ist viel arbeitsreicher, als einfach nur einzureißen.

domradio.de: Im Herbst 1989 haben Sie selber in der Leipziger Nikolaikirche gepredigt, eine der Keimzellen des Mauerfalls. Kann man sich aus der Zeit etwas für heute mitnehmen? Wie haben Sie es damals geschafft, die Mauern einzureißen?

Pater: Ich habe nur gepredigt, ich habe nichts eingerissen. Aber der Wille und der Geist des Volkes kann sehr viel verändern. Vielleicht nicht gleich und plötzlich, aber mit der Zeit kann das dazu führen, dass Grenzen überwunden werden. Ich lege großen Wert darauf: Nicht einreißen, sondern überwinden.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


P. Bernhard Venzke OP / © privat
P. Bernhard Venzke OP / © privat
Quelle:
DR