Leiter des Misereor-Büros im Kongo zu den jüngsten Entwicklungen

"Ein Etappensieg reicht uns nicht"

Die Demokratische Republik Kongo galt wegen der Weigerung von Präsident Joseph Kabila, auf sein Amt zu verzichten, als "Pulverfass". Nach Vermittlung der dortigen katholischen Bischofskonferenz ist nun relative Ruhe eingekehrt. Trügerische Ruhe?

Papst Franziskus bei einem Treffen mit Joseph Kabila / © Adrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus bei einem Treffen mit Joseph Kabila / © Adrew Medichini ( dpa )

KNA: Präsident Joseph Kabila weigerte sich, nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit am 19. Dezember auf die Macht zu verzichten. Am Silvesterabend erreichte die katholische Bischofskonferenz im Kongo dann mit ihrer Vermittlung einen Durchbruch: Unterzeichnet wurde eine Vereinbarung zwischen den Unterstützern von Kabila und Oppositionsvertretern. Demnach sind Präsidentschaftswahlen "Ende 2017" abzuhalten. Bis dahin soll Kabila im Amt bleiben. Hat die Bischofskonferenz im Kongo mit ihren Vermittlungsbemühungen das Land vor einer Gewaltexplosion bewahrt?

Faustin Adeye (Leiter des Büros des katholischen Hilfswerks Misereor im Kongo): Definitiv ja. Dank der Hilfe der Kirche haben wir es vorerst geschafft, eine große Krise im Land zu vermeiden.

KNA: Warum hat die Kirche diese hohe Autorität im Kongo?

Adeye: Fast alle Sozialeinrichtungen, die Gesundheitsversorgung, Wasserversorgung, zum Teil sogar Straßenpflege und Brückenbau - das alles geht im Kongo von der Kirche aus. Insofern hat die Kirche eine große Autorität in der Bevölkerung. Die Kirche ist aber nicht nur ein wichtiger Dienstleister wie etwa die Caritas in Deutschland. Wenn es um Vertrauen geht, ist die Kirche im Kongo die einzige Instanz, die geblieben ist.

KNA: Wird die getroffene Vereinbarung halten?

Adeye: Es steht "fifty-fifty". Es ist Wachsamkeit gefordert, damit alle Unterzeichner die Vereinbarung einhalten. Es ist nötig, von Deutschland, der EU und den USA aus den Druck auf Kabila aufrechtzuerhalten. Denn wir haben noch nicht den Sieg. Wir haben einen Etappensieg und das reicht uns noch nicht.

KNA: Kabila selbst hat das Abkommen noch nicht unterzeichnet, auch Oppositionsführer Etienne Tshisekedi nicht...

Adeye: Das ist richtig. Ich gehe aber davon aus, dass Tshisekedi noch unterzeichnen wird, um Kabila unter Druck zu setzen, auch noch zu unterschreiben.

KNA: Gibt es nicht Frust bei den Gegnern von Kabila, dass er noch ein Jahr an der Macht sein wird?

Adeye: Das ist der Grund, weshalb es so lange bis zu der Vereinbarung gedauert hat. Die Opposition wollte natürlich, dass Kabila sofort zurücktritt. Aber auf der Suche nach einer Einigung muss jeder einen Teil seiner Forderungen aufgeben. Es ist ein Kompromiss - nicht der beste, aber einer, mit dem alle im Land leben können.

KNA: Was sind die Nachteile des Abkommens?

Adeye: Mehrere technische Fragen konnten noch nicht besprochen werden. Es ist noch nicht festgelegt worden, wie der Kalender bis zur Wahl genau aussieht oder wann die Wähler registriert werden.

KNA: Ist der Zeitplan bis zu den Wahlen Ende 2017 eigentlich komfortabel oder eher knapp?

Adeye: Er ist nicht knapp. Sofort zu wählen, wie es die Opposition forderte, ist im Kongo nicht durchführbar. Aber man braucht auch kein Jahr, um die Wähler zu registrieren, wie die Regierung meinte. Man kann alle diese Operationen binnen sechs bis acht Monaten gut vorbereiten. Das ist machbar.

KNA: Was passiert bis dahin mit den politischen Gefangenen?

Adeye: Dieses Thema ist ein großer Brocken, und die Bischöfe müssen hier am Ball bleiben. Einige politische Gefangene, die eine ernsthafte Konkurrenz zu Kabila darstellen, wurden ausdrücklich ausgeschlossen von der Vereinbarung.

KNA: Kabila gilt als ausgebuffter Machtpolitiker. Ist nicht denkbar, dass er seine Verzögerungstaktik einfach fortsetzt?

Adeye: Damit müssen wir rechnen.

KNA: Ist Kabila überhaupt Argumenten zugänglich?

Adeye: Dialog oder friedliche Beilegung von Konflikten kommen in seinem Denken eigentlich nicht vor.

KNA: Wie ist die derzeitige Lage in der Demokratischen Republik Kongo?

Adeye: Überall im Land ist derzeit Militärpräsenz festzustellen. Viele öffentliche Bereiche sind abgeriegelt, so dass die Kongolesen derzeit kaum Raum haben, sich frei auszudrücken.

KNA: Das heißt, die Opposition kann also auch jetzt nicht richtig an die Öffentlichkeit gehen, etwa mit Demonstrationen?

Adeye: Noch nicht. Das ist noch ausgeschlossen.

Das Interview führte Norbert Demuth.


Quelle:
KNA