Österreich-Wahl vor Entscheidung

Spannung pur im Countdown

In einer bisher ungekannt derben Wahlschlacht haben Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer um den Einzug in Hofburg gekämpft. Nach fast einem Jahr haben die Österreicher nun das Ringen entschieden.

Wer macht das Rennen? Wahl in Österreich / © Christian Bruna (dpa)
Wer macht das Rennen? Wahl in Österreich / © Christian Bruna ( dpa )

Die Österreicher haben nach einem fast einjährigen Wahlkampf ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Es gab am Sonntagnachmittag bis kurz vor Wahlschluss noch keine Anzeichen, ob sich die 6,4 Millionen Wahlberechtigten für den Grünen-nahen Alexander Van der Bellen oder den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer entschieden haben. Die letzten der 10 300 Wahllokale sollten um 17 Uhr schließen. Eine erste Hochrechnung wurde für 17.15 Uhr erwartet. Das Votum wird international stark beachtet. Umfragen sagten bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus.

Erstmals kann mit Norbert Hofer (45) von der FPÖ ein Rechtspopulist an die Spitze eines Staates in Westeuropa gelangen. Zweiter Kandidat ist der Grünen-nahe Alexander Van der Bellen (72). Hofer ist ausländer- und EU-kritisch eingestellt, Van der Bellen dagegen ein EU-Anhänger und Freund der Willkommenskultur gegenüber Migranten mit Asylgrund. Es ist das erste Mal, dass ein Politiker aus den Reihen der Opposition Staatschef wird.

Kandidaten gaben selber Stimme ab

Begleitet von Dutzenden Kamerateams gaben die beiden Kandidaten ihre Stimme ab. "Ich bin ruhig und zuversichtlich", sagte der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer in seinem Heimatort Pinkafeld im Burgenland. Da die Meinungsforscher ein knappes Rennen vorhersagten, müsse man fast davon ausgehen, dass es nicht knapp werde, meinte der 45-jährige Rechtspopulist unter Anspielung auf jüngste Blamagen der Demoskopen. Er wiederholte seine Aussage, dass er keinen Öxit anstrebe. "Ich will nicht aus der EU austreten." Nur bei einem EU-Beitritt der Türkei oder einer Entwicklung hin zu einer zentralistischen EU wäre er für eine Volksbefragung. Van der Bellen zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. "Aber man kann nie sicher sein", sagte er nach dem Verlassen seines Wahllokals in Wien. Es sei eine richtungsweisende Wahl für Europa.

Die Wahl gilt in nationaler wie internationaler Hinsicht als Signal. Bei einem Sieg des FPÖ-Kandidaten wird sich die Koalition aus sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP wohl eine strenge Kontrolle ihrer Politik durch Hofer gefallen lassen müssen. Zumindest hat er eine aktive Amtsführung und die Einmischung auch in die Tagespolitik angekündigt. International könnte ein Sieg des Rechtspopulisten ähnlichen Bewegungen in Frankreich und Deutschland weiteren Auftrieb geben.

Schlampereien bei der Auszählung der Briefwahlstimmen

Das Votum vom 22. Mai war vom Verfassungsgerichtshof wegen organisatorischer Schlampereien bei der Auszählung der Briefwahlstimmen annulliert worden. Nach einer erneuten Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins am 2. Oktober wegen Problemen mit den Briefwahl-Kuverts ist es nun der dritte Anlauf, um das höchste Staatsamt zu besetzen.

Die Wahlbeteiligung lag am 22. Mai bei 72,7 Prozent. Prognosen gehen davon aus, dass die Motivation der Bürger gesunken ist. Ein erstes Anzeichen für ein geringeres Wahlinteresse könnte der Rückgang der Anzahl der Briefwähler um rund 20 Prozent sein. Hatten für den 22. Mai noch rund 885 000 Bürger eine entsprechende Wahlkarte bestellt, sind es nun nur noch 708 000.

Die Kirchen hielten sich bei der Wahl bedeckt, machten aber auf die Werte, die die Kandidaten vertreten aufmerksam. Eine gute Wahlentscheidung könne sich nicht nur auf Aussagen der Kandidaten zu Kernanliegen der Kirche wie dem Lebensschutz beziehen, sondern müsse auch die Haltung zu den Schwachen der Gesellschaft miteinbeziehen, zu denen auch Migranten gehörten.


Quelle:
dpa , KNA