Bischofsberater Lunte über konservativen Präsidentschaftskandidaten Fillon

"Ehrlicher Politiker der bürgerlichen Mitte"

Wofür steht Francois Fillon - und was hat er dem rechtspopulistischen Front National entgegenzusetzen? Der fünfache Familienvater will vor allem mit seiner Familienpolitik punkten, sagt Berater Stefan Lunte.

Francois Fillon / © Yoan Valat (dpa)
Francois Fillon / © Yoan Valat ( dpa )

domradio.de: Francois Fillon blickt auf eine lange Polit-Karriere zurück - welche Rolle hat denn sein Katholischsein für seine Politik gespielt?

Stefan Lunte (Berater im Generalsekretariat der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft): Das hat bisher nicht so eine große Rolle gespielt, sondern ist erst vor drei oder vier Jahren etwas deutlicher geworden. Was aber mit Blick auf seine 35-jährige politische Karriere sicher eine große Rolle gespielt hat, ist, dass er bislang nie von irgendwelchen Skandalen oder außerpolitischen Ereignissen im Privatleben belangt oder kritisiert und niemals durch die Justizbehörden verfolgt wurde. Fillon gilt in den Augen vieler Wähler eben nicht nur als ein sehr ehrlicher Politiker, sondern ist es tatsächlich.    

domradio.de: Die Katholiken Frankreichs gelten ja als traditionell konservativ - da passt ihnen Fillon sicher ganz gut auf den Plan?

Lunte: Ich weiß nicht so recht, woher Sie die Idee haben, dass Katholiken als besonders konservativ gelten. Schließlich gibt es in Frankreich auch Bewegungen wie die  "Semaine Sociale de France", die eher dem Mitte-Links-Lager nahe stehen. Wo Sie tatsächlich Recht haben: Heute wird in vielen französischen Medien katholisch außerordentlich schnell mit rückständig, homophob, ultrakonservativ etc. gleichgesetzt.

domradio.de: Passt Fillon denn in dieses konservative Schema rein?

Lunte: Es wird ihm immer wieder vorgeworfen, ultraliberal zu sein - was man aus meiner Sicht nicht ernsthaft behaupten kann. Er will beispielsweise die Staatsquote in Frankreich, die bei 57 Prozent liegt, in fünf Jahren auf 49 Prozent zurückbringen. Das hat nichts mit Ultraliberalismus zu tun. Auf der anderen Seite wird er als ultrakonservativ angegriffen. Das hat sicher damit zu tun, dass er die Familienpolitik neu stärken will und weil er das Gesetz für die Ehe von Partnern gleichen Geschlechts umschreiben will, in dem Teil, der sich auf die Adoption bezieht.

domradio.de: Was ist denn sein Credo in der Familienpolitik?

Lunte: Was in Deutschland mit dem Kindergeld vergleichbar wäre, das wird in Frankreich über Steuererleichterungen geregelt – und diese Erleichterungen möchte Fillon anheben. Er möchte besonders für schwache Familien zusätzliche Hilfen bereitstellen – und stößt damit sicher bei vielen Menschen auf Zustimmung.

domradio.de: Die wahrscheinliche Konstellation ist, dass Fillon bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr in der Stichwahl gegen Marine Le Pen vom rechtsnationalen Front National antritt. Ist er da der Richtige? Schließlich haben viele Linke und auch gemäßigte Mitte-Wähler doch große Probleme mit ihm…

Lunte: Ja, aber am Ende ist dann schon klar, dass Fillon nicht mit Rechtsextremismus von Frau Le Pen gleichgesetzt werden kann. Erste Umfragen, die so viel wert sind, wie sie eben wert sind, zeigen, dass Fillon mit deutlich über 70 Prozent gegen Marine Le Pen gewinnen würde, käme es zum Duell der beiden Kandidaten. Ich glaube, da müssen wir uns weniger Sorgen machen. Im Gegenteil wäre eine Kandidatur von Alain Juppé möglicherweise für viele sehr enttäuschte Wähler aus dem bürgerlichen Lager eine weitere Ermutigung geworden, doch auch "endlich mal" bei Frau Le Pen das Kreuzchen zu machen.  

domradio.de: Fillon will zum Beispiel Muslime ganz strikt administrativ bewachen lassen. Ist das so eine Art Ruf nach entschlossener Härte, der sich da jetzt in Frankreich niederschlägt?

Lunte: Dazu müssen wir erst einmal festhalten, dass Deutschland nicht Frankreich ist. Deutschland hat in den vergangenen Jahren keine vergleichbaren Attentate erlebt, die von islamistischem Terror ausgegangen sind. Dass die Bevölkerung da eine Reaktion erwartet, kann man sicher nachvollziehen. Außerdem dürfen wir das, was in Frankreich als ausgesprochen konservativ gilt,  nicht einfach mit dem, was im deutschen Spektrum als ausgesprochen konservativ gelten würde, gleichsetzen. Das ist jeweils auf die unterschiedliche Situation bezogen – was Lebensbedingungen angeht, Wirtschaftsleben, Sozialpolitik, etc. Und was Fillon da vorschlägt, bleibt eine Politik der bürgerlichen Mitte, vor allem, was die Wirtschaftspolitik angeht.

Das Gespräch führte Christoph Paul Hartmann


Stefan Lunte / © privat
Stefan Lunte / © privat
Quelle:
DR