Neues Gutachten zu Kölner Silvesternacht

Zu geringe Polizeipräsenz

Eine zu geringe Polizeipräsenz rund um den Kölner Hauptbahnhof könnte zur Eskalation in der Silvesternacht 2015 beigetragen haben. Das ist das Ergebnis eines neuen Gutachtens, das vom Kriminologen Rudolf Egg jetzt vorgestellt wurde.

Polizisten rund um Dom und Hauptbahnhof / © Maja Hitij (dpa)
Polizisten rund um Dom und Hauptbahnhof / © Maja Hitij ( dpa )

Es seien zu wenige Beamte im Einsatz gewesen, die die Gefährlichkeit der Situation richtig hätten einschätzen können, sagte Egg am Montag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages in Düsseldorf. Eine größere Polizeipräsenz und eine frühere Abriegelung des Domplatzes und des Bahnhofsvorplatzes hätten die Eskalation "wahrscheinlich verhindert".

Bestelltes Gutachten widerlegt Aussagen

Der Kriminologe und Rechtspsychologe legte am 47. Verhandlungstag des Untersuchungsausschusses sein bestelltes Gutachten vor. Er wies darauf hin, dass bereits am 1. Januar 2016 über 200 Anzeigen vor allem von Frauen wegen sexueller Übergriffe und Diebstähle erstattet worden seien. "Es stimmt nicht, dass zu diesem Zeitpunkt erst elf Anzeigen vorgelegen haben", betonte Egg.

Der Gutachter wies auch Aussagen der Polizei zurück, das Ausmaß der Übergriffe sei erst am 4. Januar erkennbar geworden. Egg hatte im Auftrag des Untersuchungsausschusses alle bis zum 1. März erstatteten rund 1.200 Strafanzeigen untersucht.

Kein zufälliges Treffen am Dom

Viele Täter, die mehrheitlich aus dem nordafrikanisch-arabischen Raum stammten, hatten sich nach Einschätzung von Egg offenbar zu einer Zusammenkunft am Kölner Hauptbahnhof verabredet. Dies hätten die von ihm ausgewerteten Strafanzeigen der Ermittlungsgruppe Neujahr ergeben. Eine rein zufällige, von vornherein nicht beabsichtigte Begegnung der Täter werde man "vernünftigerweise" ausschließen können. Dafür seien "zu viele Männer zur selben Zeit am selben Ort gewesen", sagte der Gutachter. Vermutlich habe es Verabredungen, Absprachen oder "Mundpropaganda" gegeben, den Silvesterabend im Bereich des Hauptbahnhofs zu verbringen.

Scheinbare Reglosigkeit der Polizei

"Soziale Ansteckung" sei für viele Männer im Verlauf des Abends dann vermutlich der Grund gewesen, Diebstähle oder Sexualdelikte zu begehen. Eine große soziale Kontrolle habe es nicht gegeben. Stattdessen habe eine hohe Anonymität den Männern die Gewissheit gegeben, nicht erkannt zu werden, sagte Egg weiter. Die "scheinbare Reglosigkeit" der Polizei habe die Täter in der Ansicht bestärkt: "Heute ist alles erlaubt."

Der Wiesbadener Psychologe und Kriminologe Rudolf Egg war von 1997 bis 2014 Leiter der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder. Bei der Staatsanwaltschaft Köln liegen rund 1.200 Anzeigen zur Silvesternacht vor, rund 500 davon wegen sexueller Übergriffe.

Die Zahl der Opfer liegt bei rund 1.300. Der Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags will Mitte Dezember die letzten Zeugen vernehmen. Die Arbeit des Ausschusses soll Mitte April nächsten Jahres beendet sein.


Quelle:
epd