Frankreich vor der Räumung des "Dschungels"

Unruhen im Flüchtlingslager von Calais

Die Pariser Regierung startet am Montag ein risikoreiches Vorhaben: Die Auflösung eines Flüchtlingslagers mit über 6.000 Menschen. Beim "Dschungel von Calais" kommt es zu Krawallen. Hilfsorganisationen sprechen von unzureichender Planung.

Unterkünfte aus Wohnwagen und Zelten / © Etienne Laurent (dpa)
Unterkünfte aus Wohnwagen und Zelten / © Etienne Laurent ( dpa )

Vor der Räumung des riesigen Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais ist die Stimmung angespannt. Viele Flüchtlinge wollten nicht vom Montag an in Aufnahmezentren in ganz Frankreich transportiert werden, berichteten Helfer übereinstimmend.

Im sogenannten "Dschungel von Calais" sammeln sich seit Jahren Menschen, die illegal nach Großbritannien gelangen wollen. Die französische Regierung will das umstrittene Lager, in dem nach offiziellen Angaben etwa 6.500 Migranten leben, von diesem Montag an auflösen. Die Räumung soll etwa eine Woche lang dauern, im Einsatz sind nach offiziellen Angaben rund 1.250 Polizisten.

Unruhen im "Dschungel"

In der Nacht zum Sonntag flogen aus einer Gruppe von mehreren Dutzend Menschen Steine auf Polizisten, die dann Tränengas einsetzten, berichtete der Nachrichtensender BFMTV. Die Behörden schätzen, dass sich im "Dschungel" bis zu 200 Aktivisten der "No-Border-"Bewegung aufhalten, die für eine Welt ohne Grenzen eintreten. 

Christian Salomé, Chef der Hilfsorganisation "Auberge des migrants", sagte, etwa 2.000 Flüchtlinge wollten nicht den von der französischen Regierung vorgesehenen Weg gehen. "Einige werden sich in der Umgebung von Calais verstecken. Es droht dort eine Verfolgungsjagd", sagte Salomé der Zeitung "Journal de Dimanche".

Er sei zwar für die Schließung des "Dschungels", doch für Neuankommende müsse es weiter eine Aufnahmeeinrichtung in der Hafenstadt am Ärmelkanal geben, forderte Salomé in der Zeitung "Nord Littoral".

Forderungen an Großbritannien

Die britische Ärztin Lynne Jones sagte der Deutschen Presse-Agentur, erst in der Nacht sei eine fünfköpfige Familie aus Syrien angekommen. Auf die Frage, ob sie die Auflösung begrüße, sagte sie: "Ich bin für eine gute Lösung für die Migranten." Dazu müsse unter anderem Großbritannien mehr tun.

Ein spezielles Verfahren gibt es für Minderjährige, die sich ohne Verwandte in dem Camp aufhalten. Sie können zunächst in Containern in Calais bleiben. Bei Kindern, die Angehörige in Großbritannien haben, pocht Frankreich auf eine Familienzusammenführung.

UNHCR begrüßt Schließung

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat die geplante Räumung des Flüchtlingscamps im nordfranzösischen Calais derweil begrüßt. UNHCR-Vertreter hätten bereits seit einigen Jahren die Schließung des Lagers aufgrund der "schrecklichen" Lebensbedingungen gefordert, sagte ein Sprecher des Hilfswerks in Genf. Es sei jedoch wichtig, die Bewohner des Lagers vorher über die Räumung zu informieren und ihnen Zugang zu Asylanträgen zu gewähren.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk betonte, die laut einer Zählung von Terre des Hommes France etwa 1.300 unbegleiteten Minderjährigen müssten in sichere Aufnahmezentren gebracht werden, die ihren Bedürfnissen entsprächen. Wichtig sei, dass sich die Kinder nicht auf den Weg zu anderen Orten machten und dabei Opfer von Menschenhändlern würden oder auf der Straße ohne Unterstützung leben müssten. Für die 200 unbegleiteten Minderjährigen mit Verwandten in Großbritannien sollten verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um sie mit ihren Familien zusammenzuführen.

Human Rights Watch fordert Schutz für Minderjährige

Vor der Schließung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais fordert Human Rights Watch (HRW) Schutz für die unbegleiteten Minderjährigen. "Die französischen Behörden haben eine unrealistische und künstliche Frist für die Bereitstellung von geeigneten Alternativen für die vielen unbegleiteten Kinder in Calais gestellt", sagte Michael Bochenek, Kinderrechtsbeauftragter der Menschenrechtsorganisation, in Paris.

Die Bemühungen der französischen und britischen Behörden reichten nicht aus und kämen zu spät, hieß es. Das Lager dürfe nicht geschlossen werden, bevor gewisse Kinderrechte garantiert seien.


Flüchtling im "Dschungel" von Calais / © Etienne Laurent (dpa)
Flüchtling im "Dschungel" von Calais / © Etienne Laurent ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , DR