Adveniat enttäuscht über Abstimmungsergebnis in Kolumbien

"Schauen, wie es weitergeht"

Das Volk hatte die Wahl und entschied sich mit knappem Votum gegen die Annahme des Friedensvertrags in Kolumbien zwischen Regierung und FARC-Rebellen. Vielerorts ist die Enttäuschung groß, so auch beim Hilfswerk Adveniat.

Entsetzen nach der Wahl  / © Mauricio Duenas Castaneda (dpa)
Entsetzen nach der Wahl / © Mauricio Duenas Castaneda ( dpa )

domradio.de: Sind Sie sehr enttäuscht über das Abstimmungsergebnis?

Prälat Bernd Klaschka (Hauptgeschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat): Ich bin enttäuscht. Mit meinen Hoffnungen konnte ich nicht durchkommen. Innerlich, emotional bin ich enttäuscht. Aber auf der anderen Seite kommen sofort in mir auch Fragen hoch, wie es weitergehen kann, welche Schritte unternommen werden können, um den Friedensprozess in Kolumbien weiter zu führen. Das Abkommen ist zwischen der Regierung und der Guerilla-Organisation FARC geschlossen worden und hat auch eine gewisse Verbindlichkeit. Die Mehrheit derjenigen, die abgestimmt haben, hat dieses Abkommen aus unterschiedlichen Gründen nicht akzeptiert. Aber ich glaube, zum Frieden gibt es keine Alternative. Das haben auch diejenigen, die "Nein" zu dem Referendum gesagt haben, deutlich gemacht, dass neu verhandelt werden muss und der Friede weitergeführt werden muss.

domradio.de: Also waren alle Bemühungen, die überaus schwierigen Verhandlungen und die vielen Vermittlungen nicht umsonst?

Klaschka: Ich würde sagen, dass sie schon Früchte getragen haben, sowohl bei der Guerilla als auch bei vielen Menschen in Kolumbien selbst, denn nur eine ganz knappe Mehrheit hat sich gegen den Friedensvertrag gestellt. Dann muss man noch schauen, wo dieses "Nein" am stärksten vertreten ist. Das ist insbesondere in der Stadtbevölkerung der Fall. Die Stadtbevölkerung ist am wenigsten von dem Bürgerkrieg bedroht. Überwiegend in der ländlichen Bevölkerung ist mit "Ja" gestimmt worden. Das ist für mich ein Zeichen der Hoffnung und ein Zeichen der Zuversicht. Es gibt in der kolumbianischen Gesellschaft eine Bewegung, stärker in Richtung Frieden hin zu gehen als in den vergangenen Jahren.

domradio.de: Einmal davon abgesehen, dass die Wahlbeteiligung sehr niedrig war, ist das Ergebnis sehr knapp ausgefallen. Fast die Hälfte der Bevölkerung hätte sich einen anderen Ausgang gewünscht. Was muss jetzt passieren, damit das Land nicht weiter auf eine tiefere Spaltung zusteuert?

Klaschka: Ich glaube, der erste Schritt, den Präsident Santos unternommen hat, zu einer Kommission einzuladen, die insbesondere die Neinsager zu diesem Abkommen in künftige Verhandlungen und künftige Gespräche miteinbindet, ist ein guter Weg. Auf der anderen Seite muss man deutlich sagen, dass das Abkommen an sich Bestand hat. Die Guerilla hat erklärt, sie wolle nicht zu den Waffen zurückkehren, sondern dieses Abkommen respektieren. Auch das ist ein Grund zur Hoffnung inmitten aller Enttäuschung. Ich denke auch, dass die Gruppe um den früheren Staatspräsidenten Uribe, die hauptsächlich mit "Nein" gestimmt hat, auch in Gespräche eingebunden werden muss, um deren Vorstellung mit einzubringen, was Frieden bedeutet und wie sich die kolumbianische Gesellschaft in Zukunft mit einer aufgelösten Guerilla-Organisation der FARC arrangiert und diese in die Gesellschaft integriert.

domradio.de: Die katholische Kirche setzt sich schon seit Jahrzehnten für den Frieden in Kolumbien ein, hat den jüngsten Prozess und die Verhandlungen begleitet. Was sind nun die nächsten Schritte konkret für die Kirche?

Klaschka: Die katholische Kirche und insbesondere auch der jetzige Vorsitzende der kolumbianischen Bischofskonferenz, der sich in dieser Hinsicht auch schon geäußert hat, werden weiterhin für den Frieden eintreten. Speziell hat die katholische Kirche dazu aufgerufen, die unterschiedlichen Gruppen innerhalb des Landes zusammenzubringen und zu einer Einheit zu führen, um die nationale Einheit zu unterstreichen und zu ermöglichen. Denn das ist auch eine Grundlage und Garantie für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien. Dafür setzt sich die katholische Kirche ein. Die katholische Kirche hat auch daran festgehalten, die für die 28 Regionen vorgesehenen Priester, die in den Konfliktregionen für Frieden arbeiten sollten, weiter auszubilden. Auch die Programme, die die katholische Kirche für die Zeit nach dem Konflikt entwickelt hat, sollen weiterlaufen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Prälat Bernd Klaschka / © Roland Weihrauch (dpa)
Prälat Bernd Klaschka / © Roland Weihrauch ( dpa )
Quelle:
DR