Der deutsche Militäreinsatz im Mittelmeer und die Kritik daran

Seenotrettung mit Kampfschiffen

Seit gut einem Jahr sind deutsche Soldaten in der EU-Operation Sophia zwischen Italien und Libyen unterwegs. Sie versuchen, Schlepper dingfest zu machen, und haben Tausende Menschen gerettet. Kritiker meinen, das Retten ginge auch ohne Militär.

Autor/in:
Wiebke Rannenberg
122 Menschen rettete die Besatzung des Tenders „Werra“ am 22. Juli von einem Schlauchboot knapp außerhalb der libyschen Gewässer  / © Tender Werra (Bundeswehr)
122 Menschen rettete die Besatzung des Tenders „Werra“ am 22. Juli von einem Schlauchboot knapp außerhalb der libyschen Gewässer / © Tender Werra ( Bundeswehr )

Die von der Europäischen Union beauftragte multinationale Militäraktion Eunavfor Med Operation Sophia läuft seit Juni 2015. Zunächst hatten die Soldaten die Hauptaufgabe, im südlichen zentralen Mittelmeer zwischen Italien und Libyen Kenntnisse über Menschenschmuggel und Schleppernetze zu gewinnen und Menschen aus Seenot zu retten. Die deutsche Bundesregierung stimmte dem Militäreinsatz Mitte September 2015 zu.

Die zweite Phase der Aktion - den bewaffneten Kampf gegen Schleuser und Schlepper- musste der Bundestag billigen. Das tat er am 1. Oktober 2015 in namentlicher Abstimmung. Bis zu 950 deutsche Soldaten sind laut Bundeswehr berechtigt, "militärische Gewalt zur Durchsetzung ihres Auftrags einzusetzen". Auch der UN-Sicherheitsrat stimmte zu, dass die beteiligten Schiffe der EU-Staaten auch auf hoher See vor der Küste Libyens Schiffe anhalten und kontrollieren dürfen.

Bundeswehrsoldaten auch in Libyen

Gut neun Monate später, am 7. Juli 2016, votierte der Bundestag für eine Verlängerung und Erweiterung des Einsatzes bis zum 30. Juni 2017 und stellte dafür 45,3 Millionen Euro zur Verfügung - gegen die Stimmen der Grünen und der Linken. Seitdem sollen die Marine-Soldaten auch beim Aufbau einer libyschen Küstenwache helfen und den Waffenschmuggel nach Libyen unterbinden. Um auch vermeintliche Waffenschmuggler stoppen und Schiffe durchzusuchen zu dürfen, fehlt der Operation aber noch die letzte Genehmigung durch das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU.

In einer späteren Phase sind Einsätze in libyschen Hoheitsgewässern und auf dem Land geplant. Dem müssten aber die Vereinten Nationen und die international anerkannte libysche Regierung in Tobruk zustimmen.

"Datteln" und "Werra" 

Seit Beginn von Sophia ist Deutschland fast durchgehend mit zwei Schiffen aktiv, derzeit mit dem Minenjagdboot "Datteln" und dem Unterstützungsboot Tender "Werra" im Hafen Cagliari, und mit rund 130 Soldatinnen und Soldaten. Die drei weiteren Schiffe stellen derzeit Italien, das das Kommando hat, Großbritannien und Spanien. Nach Angaben der Bundeswehr haben die Hinweise von den Schiffen aller 24 beteiligten europäischen Nationen zusammen zur Festnahme von rund 80 Menschen geführt, die der Schleuserei verdächtigt wurden. Erst kürzlich konnten die Deutschen erstmals drei Personen festsetzen, bei denen sie zuvor gefilmt hatten, dass sie Flüchtlinge in ihrem Boot bedrängten, ihnen weiteres Geld abpressen wollten und den Außenbordmotor verlangten.

Zudem hätten die Soldaten seit dem 23. Juni 2015 rund 21.300 Menschen aus Seenot gerettet, davon die Deutschen rund 11.800 Menschen. Da im Sommer 2015 schon knapp zwei Monate vor dem Start von Sophia deutsche Marineschiffe im Mittelmeer waren, haben sie insgesamt rund 17.500 Frauen, Männer und Kinder gerettet. Derzeit sind laut Bundeswehr 30 bis 40 weitere Schiffe im Mittelmeer unterwegs, darunter die Schiffe der Frontex Operation Triton und von Nichtregierungsorganisationen, die sich auf die Seenotrettung spezialisiert haben.

Internationale Kritik an Einsatz

An dem Militäreinsatz an sich gibt es immer wieder Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wies schon im Herbst 2015 darauf hin, dass die Aktion "verfassungswidrig und völkerrechtswidrig" sein könne und forderte, stattdessen die Seenotrettung zu verstärken.

Andere Kritiker fordern, die vielen Millionen Euro lieber in günstigere Schiffe zu investieren, die besser für die Rettung von Menschen geeignet sind als die riesigen Militärschiffe mit ihren Waffensystemen.

Operation Sophia kann nur Symptome bekämpfen

Im ARD-Magazin "Monitor" sagte Mitte Juli ein italienischer Staatsanwalt aus Sizilien, von den rund 70 festgenommenen vermeintlichen Schleusern seien 80 Prozent nur "kleine Fische", die Drahtzieher blieben in Libyen. Auch der Kommandeur der beiden deutschen Schiffe, Torsten Eidam, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Schleuser, die die Strippen in der Hand halten, bekommen wir auf See nicht." Zudem zitierten Medien im Mai aus einem Bericht des britischen Oberhauses, wonach die Operation Sophia keinen Effekt auf das Geschäft der Schlepper habe.

Den Namen Sophia trägt die Aktion seit Oktober 2015. Sophia ist der Name eines Flüchtlingsmädchens, das an Bord der Fregatte Schleswig-Holstein auf die Welt gekommen war. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte damals, Sophia sei ein "attraktiverer und medienfreundlicherer Name".


Die erschöpften Geretteten haben Mühe über die Lotsenleiter an Bord zu kommen. / © PAO EUNAVFOR MED (Bundeswehr)
Die erschöpften Geretteten haben Mühe über die Lotsenleiter an Bord zu kommen. / © PAO EUNAVFOR MED ( Bundeswehr )

Militärdekan Jochen F. beim Gottesdienst auf der Back des Tenders / © Tender Werra (Bundeswehr)
Militärdekan Jochen F. beim Gottesdienst auf der Back des Tenders / © Tender Werra ( Bundeswehr )
Quelle:
epd